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Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 2. Berlin, 1809.

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mir nicht den Einwurf, es wären augenblickliche,
unerhörte und zufällige Calamitäten, welche die
gegenwärtige Verwirrung und Unsicherheit in
das Eigenthum und in den Handel gebracht hät-
ten! Es sind ewige, unumgängliche, auch sicht-
bare Gesetze, nach denen alle einseitige Sicher-
heit des äußeren Besitzes innerliche Unsicherheit
des Gemüths, nach denen die geordnetste Abhän-
gigkeit des Menschen von Sachen und vom Be-
sitz auch seine persönliche Abhängigkeit nothwen-
dig nach sich ziehen muß. Alle die schönen und
consequenten Verordnungen über das Privat-
Eigenthum dauern fort; aber wo ist die oberste
suveräne Garantie geblieben, welche die condi-
tio sine qua non
alles Besitzstandes ist? wo das
Gefühl gemeinschaftlicher Unabhängigkeit, wel-
ches allem Eigenthum erst Reitz und Leben giebt?
wo die unendliche Aussicht auf die Zukunft und
auf Erweiterung, die mehr werth ist, als das
dermalige Innehaben, Festhalten und Einschlie-
ßen? --

Darum durfte ich, als ich über den Staat
öffentlich zu reden unternahm, es nicht dabei be-
wenden lassen, zu zeigen, wie Dieses und Jenes
nach gewissen natürlichen Gesetzen des Neben-
einander-Lebens
der Menschen Rechtens sey,
und Derjenige ein Verräther und Frevler, wel-

mir nicht den Einwurf, es waͤren augenblickliche,
unerhoͤrte und zufaͤllige Calamitaͤten, welche die
gegenwaͤrtige Verwirrung und Unſicherheit in
das Eigenthum und in den Handel gebracht haͤt-
ten! Es ſind ewige, unumgaͤngliche, auch ſicht-
bare Geſetze, nach denen alle einſeitige Sicher-
heit des aͤußeren Beſitzes innerliche Unſicherheit
des Gemuͤths, nach denen die geordnetſte Abhaͤn-
gigkeit des Menſchen von Sachen und vom Be-
ſitz auch ſeine perſoͤnliche Abhaͤngigkeit nothwen-
dig nach ſich ziehen muß. Alle die ſchoͤnen und
conſequenten Verordnungen uͤber das Privat-
Eigenthum dauern fort; aber wo iſt die oberſte
ſuveraͤne Garantie geblieben, welche die condi-
tio sine qua non
alles Beſitzſtandes iſt? wo das
Gefuͤhl gemeinſchaftlicher Unabhaͤngigkeit, wel-
ches allem Eigenthum erſt Reitz und Leben giebt?
wo die unendliche Ausſicht auf die Zukunft und
auf Erweiterung, die mehr werth iſt, als das
dermalige Innehaben, Feſthalten und Einſchlie-
ßen? —

Darum durfte ich, als ich uͤber den Staat
oͤffentlich zu reden unternahm, es nicht dabei be-
wenden laſſen, zu zeigen, wie Dieſes und Jenes
nach gewiſſen natuͤrlichen Geſetzen des Neben-
einander-Lebens
der Menſchen Rechtens ſey,
und Derjenige ein Verraͤther und Frevler, wel-

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[84/0092] mir nicht den Einwurf, es waͤren augenblickliche, unerhoͤrte und zufaͤllige Calamitaͤten, welche die gegenwaͤrtige Verwirrung und Unſicherheit in das Eigenthum und in den Handel gebracht haͤt- ten! Es ſind ewige, unumgaͤngliche, auch ſicht- bare Geſetze, nach denen alle einſeitige Sicher- heit des aͤußeren Beſitzes innerliche Unſicherheit des Gemuͤths, nach denen die geordnetſte Abhaͤn- gigkeit des Menſchen von Sachen und vom Be- ſitz auch ſeine perſoͤnliche Abhaͤngigkeit nothwen- dig nach ſich ziehen muß. Alle die ſchoͤnen und conſequenten Verordnungen uͤber das Privat- Eigenthum dauern fort; aber wo iſt die oberſte ſuveraͤne Garantie geblieben, welche die condi- tio sine qua non alles Beſitzſtandes iſt? wo das Gefuͤhl gemeinſchaftlicher Unabhaͤngigkeit, wel- ches allem Eigenthum erſt Reitz und Leben giebt? wo die unendliche Ausſicht auf die Zukunft und auf Erweiterung, die mehr werth iſt, als das dermalige Innehaben, Feſthalten und Einſchlie- ßen? — Darum durfte ich, als ich uͤber den Staat oͤffentlich zu reden unternahm, es nicht dabei be- wenden laſſen, zu zeigen, wie Dieſes und Jenes nach gewiſſen natuͤrlichen Geſetzen des Neben- einander-Lebens der Menſchen Rechtens ſey, und Derjenige ein Verraͤther und Frevler, wel-

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Zitationshilfe: Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 2. Berlin, 1809, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst02_1809/92>, abgerufen am 23.11.2024.