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Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 2. Berlin, 1809.

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von beiden Seiten fügten sich und verschränkten
sic[h] beide ganz entgegengesetzte Interesses so in
einander, daß sich im gegenwärtigen Augenblicke
schwer ausmachen läßt, ob wegen der Dauer
und des innigen persönlichen Zusammenhanges
des Ganzen der Geist des Lehnsrechtes,
oder ob wegen der Beweglichkeit des Handels
und der Industrie der Geist des strengen
Sachen-
und Eigenthumsrechtes in der
Brittischen Verfassung die Oberhand habe. Auf
den ersten Blick sollte es scheinen, als müsse die
Lage Englands in den letzten zwanzig Jahren
die Verhältnisse geändert haben: der Welthandel
und eine ungeheure Erweiterung der Industrie
ist England aufgedrungen worden; und dennoch
hat der Geist des strengen Eigenthumsrechtes
über den Geist des Lehnsrechtes nicht Herr wer-
den können: sie halten einander das Gleichge-
wicht; denn die Gesetze über das strenge Privat-
Eigenthum sind 1) durchaus local, auf Brittischem
Boden entstanden, und 2) seit einem halben
Jahrtausend bereits mit den früheren Lehnsge-
setzen so innig verwachsen, daß von den Aeußer-
lichkeiten der Lehnsverhältnisse wenige Spuren
mehr übrig sind, dafür aber der Geist derselben
die ganze Gesetzgebung getränkt und durchdrun-
gen hat.

von beiden Seiten fuͤgten ſich und verſchraͤnkten
ſic[h] beide ganz entgegengeſetzte Intereſſes ſo in
einander, daß ſich im gegenwaͤrtigen Augenblicke
ſchwer ausmachen laͤßt, ob wegen der Dauer
und des innigen perſoͤnlichen Zuſammenhanges
des Ganzen der Geiſt des Lehnsrechtes,
oder ob wegen der Beweglichkeit des Handels
und der Induſtrie der Geiſt des ſtrengen
Sachen-
und Eigenthumsrechtes in der
Brittiſchen Verfaſſung die Oberhand habe. Auf
den erſten Blick ſollte es ſcheinen, als muͤſſe die
Lage Englands in den letzten zwanzig Jahren
die Verhaͤltniſſe geaͤndert haben: der Welthandel
und eine ungeheure Erweiterung der Induſtrie
iſt England aufgedrungen worden; und dennoch
hat der Geiſt des ſtrengen Eigenthumsrechtes
uͤber den Geiſt des Lehnsrechtes nicht Herr wer-
den koͤnnen: ſie halten einander das Gleichge-
wicht; denn die Geſetze uͤber das ſtrenge Privat-
Eigenthum ſind 1) durchaus local, auf Brittiſchem
Boden entſtanden, und 2) ſeit einem halben
Jahrtauſend bereits mit den fruͤheren Lehnsge-
ſetzen ſo innig verwachſen, daß von den Aeußer-
lichkeiten der Lehnsverhaͤltniſſe wenige Spuren
mehr uͤbrig ſind, dafuͤr aber der Geiſt derſelben
die ganze Geſetzgebung getraͤnkt und durchdrun-
gen hat.

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[89/0097] von beiden Seiten fuͤgten ſich und verſchraͤnkten ſich beide ganz entgegengeſetzte Intereſſes ſo in einander, daß ſich im gegenwaͤrtigen Augenblicke ſchwer ausmachen laͤßt, ob wegen der Dauer und des innigen perſoͤnlichen Zuſammenhanges des Ganzen der Geiſt des Lehnsrechtes, oder ob wegen der Beweglichkeit des Handels und der Induſtrie der Geiſt des ſtrengen Sachen- und Eigenthumsrechtes in der Brittiſchen Verfaſſung die Oberhand habe. Auf den erſten Blick ſollte es ſcheinen, als muͤſſe die Lage Englands in den letzten zwanzig Jahren die Verhaͤltniſſe geaͤndert haben: der Welthandel und eine ungeheure Erweiterung der Induſtrie iſt England aufgedrungen worden; und dennoch hat der Geiſt des ſtrengen Eigenthumsrechtes uͤber den Geiſt des Lehnsrechtes nicht Herr wer- den koͤnnen: ſie halten einander das Gleichge- wicht; denn die Geſetze uͤber das ſtrenge Privat- Eigenthum ſind 1) durchaus local, auf Brittiſchem Boden entſtanden, und 2) ſeit einem halben Jahrtauſend bereits mit den fruͤheren Lehnsge- ſetzen ſo innig verwachſen, daß von den Aeußer- lichkeiten der Lehnsverhaͤltniſſe wenige Spuren mehr uͤbrig ſind, dafuͤr aber der Geiſt derſelben die ganze Geſetzgebung getraͤnkt und durchdrun- gen hat.

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Zitationshilfe: Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 2. Berlin, 1809, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst02_1809/97>, abgerufen am 27.11.2024.