Müller, Wilhelm: Sieben und siebzig Gedichte aus den hinterlassenen Papieren eines reisenden Waldhornisten. Dessau, 1821.Vor ihrem Fenster. Wie freut es mich, in dunkeln Abendstunden Vor deinem hellen Fenster still zu stehn! Den Vorhang find' ich hoch hinaufgewunden, Frei darf mein Blick in seinen Himmel sehn. Die Blumen, die sich an die Rahmen schmiegen, Umschlingen mir dein Bild mit ihrem Kranz, Und meines Odems Hauche überfliegen Mit trübem Nebelduft der Scheiben Glanz. Da sitzest du, so still und unbefangen, Das schöne Haupt gestützt auf deinen Arm, Und ich bin dir so nah mit Lust und Bangen, Mit meiner Wünsche ungestümem Schwarm. Du schauest her: es wissen deine Augen
Vom süßen Zauber ihrer Blicke nicht, Wie meine sich aus ihnen trunken saugen, Und hell erglühen nur von ihrem Licht. Vor ihrem Fenſter. Wie freut es mich, in dunkeln Abendſtunden Vor deinem hellen Fenſter ſtill zu ſtehn! Den Vorhang find' ich hoch hinaufgewunden, Frei darf mein Blick in ſeinen Himmel ſehn. Die Blumen, die ſich an die Rahmen ſchmiegen, Umſchlingen mir dein Bild mit ihrem Kranz, Und meines Odems Hauche uͤberfliegen Mit truͤbem Nebelduft der Scheiben Glanz. Da ſitzeſt du, ſo ſtill und unbefangen, Das ſchoͤne Haupt geſtuͤtzt auf deinen Arm, Und ich bin dir ſo nah mit Luſt und Bangen, Mit meiner Wuͤnſche ungeſtuͤmem Schwarm. Du ſchaueſt her: es wiſſen deine Augen
Vom ſuͤßen Zauber ihrer Blicke nicht, Wie meine ſich aus ihnen trunken ſaugen, Und hell ergluͤhen nur von ihrem Licht. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0073" n="61"/> </div> <div n="2"> <head> <hi rendition="#g">Vor ihrem Fenſter.</hi><lb/> </head> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l><hi rendition="#in">W</hi>ie freut es mich, in dunkeln Abendſtunden</l><lb/> <l>Vor deinem hellen Fenſter ſtill zu ſtehn!</l><lb/> <l>Den Vorhang find' ich hoch hinaufgewunden,</l><lb/> <l>Frei darf mein Blick in ſeinen Himmel ſehn.</l><lb/> </lg> <lg n="2"> <l>Die Blumen, die ſich an die Rahmen ſchmiegen,</l><lb/> <l>Umſchlingen mir dein Bild mit ihrem Kranz,</l><lb/> <l>Und meines Odems Hauche uͤberfliegen</l><lb/> <l>Mit truͤbem Nebelduft der Scheiben Glanz.</l><lb/> </lg> <lg n="3"> <l>Da ſitzeſt du, ſo ſtill und unbefangen,</l><lb/> <l>Das ſchoͤne Haupt geſtuͤtzt auf deinen Arm,</l><lb/> <l>Und ich bin dir ſo nah mit Luſt und Bangen,</l><lb/> <l>Mit meiner Wuͤnſche ungeſtuͤmem Schwarm.</l><lb/> </lg> <lg n="4"> <l>Du ſchaueſt her: es wiſſen deine Augen</l><lb/> <l>Vom ſuͤßen Zauber ihrer Blicke nicht,</l><lb/> <l>Wie meine ſich aus ihnen trunken ſaugen,</l><lb/> <l>Und hell ergluͤhen nur von ihrem Licht.</l><lb/> </lg> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [61/0073]
Vor ihrem Fenſter.
Wie freut es mich, in dunkeln Abendſtunden
Vor deinem hellen Fenſter ſtill zu ſtehn!
Den Vorhang find' ich hoch hinaufgewunden,
Frei darf mein Blick in ſeinen Himmel ſehn.
Die Blumen, die ſich an die Rahmen ſchmiegen,
Umſchlingen mir dein Bild mit ihrem Kranz,
Und meines Odems Hauche uͤberfliegen
Mit truͤbem Nebelduft der Scheiben Glanz.
Da ſitzeſt du, ſo ſtill und unbefangen,
Das ſchoͤne Haupt geſtuͤtzt auf deinen Arm,
Und ich bin dir ſo nah mit Luſt und Bangen,
Mit meiner Wuͤnſche ungeſtuͤmem Schwarm.
Du ſchaueſt her: es wiſſen deine Augen
Vom ſuͤßen Zauber ihrer Blicke nicht,
Wie meine ſich aus ihnen trunken ſaugen,
Und hell ergluͤhen nur von ihrem Licht.
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