Müllner, Adolph: Der Kaliber. Leipzig, 1829.Sie stockte mit einem Anfluge von Röthe. "Ich weiß eben keinen ähnlichen Charakter von gleichem Alter. Ungefähr so mag Ihnen jetzt mein Vater erscheinen, aber er war es nicht immer, er hat geliebt, er liebt mich; das Alter, die Geschäfte, die Menschen mit ihrer eigennützigen Betrüglichkeit, haben eine Rinde um sein Gemüth gezogen, die nur in seltenen Augenblicken sich erweicht. Heinrich Albus suchte engeren Umgang mit ihm, weil derselbe seinem Credite nützte, nahm ihn für sich ein durch die Art, wie er den kaufmännischen Verkehr mit ihm betrieb, und ließ es nicht an Aufmerksamkeit für die einzige Tochter fehlen, die des Vaters Augapfel war. Als die Mutter todt war, beunruhigte mich das sehr, und er mochte wohl merken, was ich befürchtete. Da kommt Ferdinand nach B..., wird bei uns durch den Bruder eingeführt, sieht mich mit - wie soll Sie stockte mit einem Anfluge von Röthe. „Ich weiß eben keinen ähnlichen Charakter von gleichem Alter. Ungefähr so mag Ihnen jetzt mein Vater erscheinen, aber er war es nicht immer, er hat geliebt, er liebt mich; das Alter, die Geschäfte, die Menschen mit ihrer eigennützigen Betrüglichkeit, haben eine Rinde um sein Gemüth gezogen, die nur in seltenen Augenblicken sich erweicht. Heinrich Albus suchte engeren Umgang mit ihm, weil derselbe seinem Credite nützte, nahm ihn für sich ein durch die Art, wie er den kaufmännischen Verkehr mit ihm betrieb, und ließ es nicht an Aufmerksamkeit für die einzige Tochter fehlen, die des Vaters Augapfel war. Als die Mutter todt war, beunruhigte mich das sehr, und er mochte wohl merken, was ich befürchtete. Da kommt Ferdinand nach B…, wird bei uns durch den Bruder eingeführt, sieht mich mit – wie soll <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0102" n="82"/> <p>Sie stockte mit einem Anfluge von Röthe. „Ich weiß eben keinen ähnlichen Charakter von gleichem Alter. <hi rendition="#g">Ungefähr</hi> so mag Ihnen jetzt mein Vater erscheinen, aber er war es nicht immer, er hat geliebt, er liebt mich; das Alter, die Geschäfte, die Menschen mit ihrer eigennützigen Betrüglichkeit, haben eine Rinde um sein Gemüth gezogen, die nur in seltenen Augenblicken sich erweicht. Heinrich Albus suchte engeren Umgang mit ihm, weil derselbe seinem Credite nützte, nahm ihn für sich ein durch die Art, wie er den kaufmännischen Verkehr mit ihm betrieb, und ließ es nicht an Aufmerksamkeit für die einzige Tochter fehlen, die des Vaters Augapfel war. Als die Mutter todt war, beunruhigte mich das sehr, und er mochte wohl merken, was ich befürchtete. Da kommt Ferdinand nach B…, wird bei uns durch den Bruder eingeführt, sieht <hi rendition="#g">mich</hi> mit – wie soll </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [82/0102]
Sie stockte mit einem Anfluge von Röthe. „Ich weiß eben keinen ähnlichen Charakter von gleichem Alter. Ungefähr so mag Ihnen jetzt mein Vater erscheinen, aber er war es nicht immer, er hat geliebt, er liebt mich; das Alter, die Geschäfte, die Menschen mit ihrer eigennützigen Betrüglichkeit, haben eine Rinde um sein Gemüth gezogen, die nur in seltenen Augenblicken sich erweicht. Heinrich Albus suchte engeren Umgang mit ihm, weil derselbe seinem Credite nützte, nahm ihn für sich ein durch die Art, wie er den kaufmännischen Verkehr mit ihm betrieb, und ließ es nicht an Aufmerksamkeit für die einzige Tochter fehlen, die des Vaters Augapfel war. Als die Mutter todt war, beunruhigte mich das sehr, und er mochte wohl merken, was ich befürchtete. Da kommt Ferdinand nach B…, wird bei uns durch den Bruder eingeführt, sieht mich mit – wie soll
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Zitationshilfe: | Müllner, Adolph: Der Kaliber. Leipzig, 1829, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muellner_kaliber_1829/102>, abgerufen am 16.02.2025. |