Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Müllner, Adolph: Der Kaliber. Leipzig, 1829.

Bild:
<< vorherige Seite

und fragte, ob dieselbe eine Verwandte ihres Hauses gewesen. "Meine Mutter," antwortete Mariane, und mit welchem Tone, mit welcher Miene! Die reinste Kindesliebe, welcher das Grab keine Schranke setzt, welche durch die irdische Trennung an Innigkeit eher gewinnt als verliert, und jedes freundliche Andenken des Dritten mit wehmüthiger Freude vernimmt, klang in ihrer Stimme, malte sich in ihren Augen. Meine Schwester schwieg. Herr Brand nahm das Wort.

"Es muß wahr seyn" - sagte er trocken wie immer: "sie spielte gewaltig schön, und war auch sonst eine seelengute Frau. Sie hat vor zwei Jahren das Zeitliche gesegnet, und war aus dem Stamme" - Er stockte hier plötzlich mit einer Art von Verlegenheit.

Ein heiteres Lächeln spielte um Marianens Mund. "Unsere Familie ist jüdisch, Herr Criminalrichter," sagte sie.

und fragte, ob dieselbe eine Verwandte ihres Hauses gewesen. „Meine Mutter,“ antwortete Mariane, und mit welchem Tone, mit welcher Miene! Die reinste Kindesliebe, welcher das Grab keine Schranke setzt, welche durch die irdische Trennung an Innigkeit eher gewinnt als verliert, und jedes freundliche Andenken des Dritten mit wehmüthiger Freude vernimmt, klang in ihrer Stimme, malte sich in ihren Augen. Meine Schwester schwieg. Herr Brand nahm das Wort.

„Es muß wahr seyn“ – sagte er trocken wie immer: „sie spielte gewaltig schön, und war auch sonst eine seelengute Frau. Sie hat vor zwei Jahren das Zeitliche gesegnet, und war aus dem Stamme“ – Er stockte hier plötzlich mit einer Art von Verlegenheit.

Ein heiteres Lächeln spielte um Marianens Mund. „Unsere Familie ist jüdisch, Herr Criminalrichter,“ sagte sie.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0078" n="58"/>
und fragte, ob dieselbe eine Verwandte ihres Hauses gewesen. &#x201E;Meine Mutter,&#x201C; antwortete Mariane, und mit welchem Tone, mit welcher Miene! Die reinste Kindesliebe, welcher das Grab keine Schranke setzt, welche durch die irdische Trennung an Innigkeit eher gewinnt als verliert, und jedes freundliche Andenken des Dritten mit wehmüthiger Freude vernimmt, klang in ihrer Stimme, malte sich in ihren Augen. Meine Schwester schwieg. Herr Brand nahm das Wort.</p>
          <p>&#x201E;Es muß wahr seyn&#x201C; &#x2013; sagte er trocken wie immer: &#x201E;sie spielte gewaltig schön, und war auch sonst eine seelengute Frau. Sie hat vor zwei Jahren das Zeitliche gesegnet, und war aus dem Stamme&#x201C; &#x2013; Er stockte hier plötzlich mit einer Art von Verlegenheit.</p>
          <p>Ein heiteres Lächeln spielte um Marianens Mund. &#x201E;Unsere Familie ist <hi rendition="#g">jüdisch</hi>, Herr Criminalrichter,&#x201C; sagte sie.</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[58/0078] und fragte, ob dieselbe eine Verwandte ihres Hauses gewesen. „Meine Mutter,“ antwortete Mariane, und mit welchem Tone, mit welcher Miene! Die reinste Kindesliebe, welcher das Grab keine Schranke setzt, welche durch die irdische Trennung an Innigkeit eher gewinnt als verliert, und jedes freundliche Andenken des Dritten mit wehmüthiger Freude vernimmt, klang in ihrer Stimme, malte sich in ihren Augen. Meine Schwester schwieg. Herr Brand nahm das Wort. „Es muß wahr seyn“ – sagte er trocken wie immer: „sie spielte gewaltig schön, und war auch sonst eine seelengute Frau. Sie hat vor zwei Jahren das Zeitliche gesegnet, und war aus dem Stamme“ – Er stockte hier plötzlich mit einer Art von Verlegenheit. Ein heiteres Lächeln spielte um Marianens Mund. „Unsere Familie ist jüdisch, Herr Criminalrichter,“ sagte sie.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2013-01-02T10:45:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
GDZ Göttingen: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-01-02T10:45:31Z)
UB Leipzig: Bereitstellung der Bilddigitalisate (Sign. 38-0-637:15785; Bilder 0107 bis 0110) (2013-01-02T10:45:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2013-01-02T10:45:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/muellner_kaliber_1829
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/muellner_kaliber_1829/78
Zitationshilfe: Müllner, Adolph: Der Kaliber. Leipzig, 1829, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muellner_kaliber_1829/78>, abgerufen am 21.11.2024.