Münter, Balthasar: Bekehrungsgeschichte des vormaligen Grafen [...] Johann Friederich Struensee. Kopenhagen, 1772.vernünftigen Geschöpfen gegeben hat. Jemehr eine ge- sunde gesetzte Vernunft sie prüft, je mehr muß sie gewin- nen. Wenn man nur alles das, was Menschen in die Religion hineingetragen haben, von den Kanzeln und aus den Lehrbüchern wegließe, so würden die Waffen der Freygeister fast alle stumpf werden. Jch erinnere mich sehr lebhaft daran, wie sehr ich durch manche, ohne Zweifel gut gemeynte Predigten, die ich in H. gehört, in meinem Unglauben gestärkt worden bin. Jch fühlte es zu sehr, daß das nicht lauter von Gott geoffenbahrte Wahrheiten seyn könnten, was mir da gesagt ward, ob man es gleich mit der größesten Zuversichtlichkeit dafür ausgab. u. s. w. Dreyzehende Unterredung, den 25sten März. Jch konnte diesesmahl nur eine kurze Zeit bey dem Zu seinen ehemaligen Einwürfen gegen die Re- gehabt. J 2
vernuͤnftigen Geſchoͤpfen gegeben hat. Jemehr eine ge- ſunde geſetzte Vernunft ſie pruͤft, je mehr muß ſie gewin- nen. Wenn man nur alles das, was Menſchen in die Religion hineingetragen haben, von den Kanzeln und aus den Lehrbuͤchern wegließe, ſo wuͤrden die Waffen der Freygeiſter faſt alle ſtumpf werden. Jch erinnere mich ſehr lebhaft daran, wie ſehr ich durch manche, ohne Zweifel gut gemeynte Predigten, die ich in H. gehoͤrt, in meinem Unglauben geſtaͤrkt worden bin. Jch fuͤhlte es zu ſehr, daß das nicht lauter von Gott geoffenbahrte Wahrheiten ſeyn koͤnnten, was mir da geſagt ward, ob man es gleich mit der groͤßeſten Zuverſichtlichkeit dafuͤr ausgab. u. ſ. w. Dreyzehende Unterredung, den 25ſten Maͤrz. Jch konnte dieſesmahl nur eine kurze Zeit bey dem Zu ſeinen ehemaligen Einwuͤrfen gegen die Re- gehabt. J 2
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vernuͤnftigen Geſchoͤpfen gegeben hat. Jemehr eine ge-
ſunde geſetzte Vernunft ſie pruͤft, je mehr muß ſie gewin-
nen. Wenn man nur alles das, was Menſchen in die
Religion hineingetragen haben, von den Kanzeln und
aus den Lehrbuͤchern wegließe, ſo wuͤrden die Waffen
der Freygeiſter faſt alle ſtumpf werden. Jch erinnere
mich ſehr lebhaft daran, wie ſehr ich durch manche, ohne
Zweifel gut gemeynte Predigten, die ich in H. gehoͤrt,
in meinem Unglauben geſtaͤrkt worden bin. Jch fuͤhlte
es zu ſehr, daß das nicht lauter von Gott geoffenbahrte
Wahrheiten ſeyn koͤnnten, was mir da geſagt ward, ob
man es gleich mit der groͤßeſten Zuverſichtlichkeit dafuͤr
ausgab. u. ſ. w.
Dreyzehende Unterredung, den 25ſten Maͤrz.
Jch konnte dieſesmahl nur eine kurze Zeit bey dem
Grafen bleiben. Jch finde nur folgendes von unſe-
rer Unterredung anmerkungswuͤrdig.
Zu ſeinen ehemaligen Einwuͤrfen gegen die Re-
ligion, ſagte er, habe auch die Meynung des Boulanger
in ſeiner antiquité devoilée gehoͤrt, daß die Furcht
der Urſprung aller Religion bey den alten Voͤlkern gewe-
ſen ſey. Die Menſchen haͤtten Erdbeben, Feuersbruͤnſte,
Ueberſchwemmungen, Krieg, Seuchen, lauter Uebel,
die ſie aus ganz natuͤrlichen Urſachen haͤtten erklaͤren
ſollen, fuͤr Gerichte der Goͤtter gehalten, und um den
Zorn derſelben zu beſaͤnftigen ſich Religionen erdacht.
Es waͤre ihm damals vorgekommen, als wenn Boulan-
ger das alles ſehr richtig aus der Geſchichte bewieſen
haͤtte. Wenn Sie geglaubt haben, antwortete ich ihm,
daß Sie ſich auf Bonlangers Treu und Glauben, auf
ſeine Kenntniß der Geſchichte, der Alterthuͤmer und der
Sprachen verlaſſen duͤrften, ſo haben Sie ſehr Unrecht
gehabt.
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Zitationshilfe: | Münter, Balthasar: Bekehrungsgeschichte des vormaligen Grafen [...] Johann Friederich Struensee. Kopenhagen, 1772, S. 131. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muenter_bekehren_1772/143>, abgerufen am 16.02.2025. |