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Münter, Balthasar: Bekehrungsgeschichte des vormaligen Grafen [...] Johann Friederich Struensee. Kopenhagen, 1772.

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gemacht hätte, so hätte es doch die Unersättlichkeit mei-
ner Begierden gethan, die durch den häufigsten Genuß
nicht befriedigt wurden. -- Empfinden Sie es nicht
schon, fuhr ich fort, daß selbst Jhre Todesstunde, nur
die natürliche Furcht des Todes, nur die schrecklichen Um-
stände des Jhrigen ausgenommen, nichts fürchterliches,
nichts beunruhigendes für Sie haben wird? Davon bin
ich versichert, sagte er, denn ich weiß wohin mich der
Tod führt. Jch erinnerte den Grafen hier, wenn etwa
in seinen letzten Tagen, oder beym Hingange zum Tode,
ihm sein Herz schwer und beklommen seyn sollte, so müsse
er diese ängstlichen Empfindungen nicht für Mangel der-
jenigen Seelenruhe halten, zu der ihn seine aufrichtige
Bekehrung berechtige, und die er itzt schon empfinde.
Er könne diese nicht anders wieder verlieren, als durch
einen Rückfall aus der Gnade Gottes, durch Liebe des
Jrrthums und der Sünde. Und davor, hoffe ich gewiß,
werde Gott ihn bewahren.

Bloß um dieser vortheilhaften Veränderung un-
srer Verhältnisse zu Gott, fuhr ich fort, bloß um dieser
Seelenruhe willen, wäre es der Mühe wehrt ein Christ
zu seyn, und sich den Forderungen des Evangelii zu un-
terwerfen, wenn sie gleich, so lange wir sie noch nicht
kennen, und ihre Vernunftmäßigkeit und ihren Einfluß
auf unser Heil noch nicht einsehen, unsern Begierden
schwer und unnatürlich vorkommen mögen. Aber Gott hat
uns noch weit mehr Vortheile von der willigen Annahme
und Befolgung der Wahrheit versprochen. Eine seelige
Zukunft nach dem Tode soll der Lohn unsrer gläubigen
Sinnesänderung seyn. Die Hoffnung, die der Christ dazu
hat, macht ihn schon hier gewissermaaßen seelig. Röm. 8,24.

Durch den Tod wird die Verbindung des Leibes
und der Seele, in der sie hier mit einander leben, aufge-

hoben.



gemacht haͤtte, ſo haͤtte es doch die Unerſaͤttlichkeit mei-
ner Begierden gethan, die durch den haͤufigſten Genuß
nicht befriedigt wurden. — Empfinden Sie es nicht
ſchon, fuhr ich fort, daß ſelbſt Jhre Todesſtunde, nur
die natuͤrliche Furcht des Todes, nur die ſchrecklichen Um-
ſtaͤnde des Jhrigen ausgenommen, nichts fuͤrchterliches,
nichts beunruhigendes fuͤr Sie haben wird? Davon bin
ich verſichert, ſagte er, denn ich weiß wohin mich der
Tod fuͤhrt. Jch erinnerte den Grafen hier, wenn etwa
in ſeinen letzten Tagen, oder beym Hingange zum Tode,
ihm ſein Herz ſchwer und beklommen ſeyn ſollte, ſo muͤſſe
er dieſe aͤngſtlichen Empfindungen nicht fuͤr Mangel der-
jenigen Seelenruhe halten, zu der ihn ſeine aufrichtige
Bekehrung berechtige, und die er itzt ſchon empfinde.
Er koͤnne dieſe nicht anders wieder verlieren, als durch
einen Ruͤckfall aus der Gnade Gottes, durch Liebe des
Jrrthums und der Suͤnde. Und davor, hoffe ich gewiß,
werde Gott ihn bewahren.

Bloß um dieſer vortheilhaften Veraͤnderung un-
ſrer Verhaͤltniſſe zu Gott, fuhr ich fort, bloß um dieſer
Seelenruhe willen, waͤre es der Muͤhe wehrt ein Chriſt
zu ſeyn, und ſich den Forderungen des Evangelii zu un-
terwerfen, wenn ſie gleich, ſo lange wir ſie noch nicht
kennen, und ihre Vernunftmaͤßigkeit und ihren Einfluß
auf unſer Heil noch nicht einſehen, unſern Begierden
ſchwer und unnatuͤrlich vorkommen moͤgen. Aber Gott hat
uns noch weit mehr Vortheile von der willigen Annahme
und Befolgung der Wahrheit verſprochen. Eine ſeelige
Zukunft nach dem Tode ſoll der Lohn unſrer glaͤubigen
Sinnesaͤnderung ſeyn. Die Hoffnung, die der Chriſt dazu
hat, macht ihn ſchon hier gewiſſermaaßen ſeelig. Roͤm. 8,24.

Durch den Tod wird die Verbindung des Leibes
und der Seele, in der ſie hier mit einander leben, aufge-

hoben.
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[202/0214] gemacht haͤtte, ſo haͤtte es doch die Unerſaͤttlichkeit mei- ner Begierden gethan, die durch den haͤufigſten Genuß nicht befriedigt wurden. — Empfinden Sie es nicht ſchon, fuhr ich fort, daß ſelbſt Jhre Todesſtunde, nur die natuͤrliche Furcht des Todes, nur die ſchrecklichen Um- ſtaͤnde des Jhrigen ausgenommen, nichts fuͤrchterliches, nichts beunruhigendes fuͤr Sie haben wird? Davon bin ich verſichert, ſagte er, denn ich weiß wohin mich der Tod fuͤhrt. Jch erinnerte den Grafen hier, wenn etwa in ſeinen letzten Tagen, oder beym Hingange zum Tode, ihm ſein Herz ſchwer und beklommen ſeyn ſollte, ſo muͤſſe er dieſe aͤngſtlichen Empfindungen nicht fuͤr Mangel der- jenigen Seelenruhe halten, zu der ihn ſeine aufrichtige Bekehrung berechtige, und die er itzt ſchon empfinde. Er koͤnne dieſe nicht anders wieder verlieren, als durch einen Ruͤckfall aus der Gnade Gottes, durch Liebe des Jrrthums und der Suͤnde. Und davor, hoffe ich gewiß, werde Gott ihn bewahren. Bloß um dieſer vortheilhaften Veraͤnderung un- ſrer Verhaͤltniſſe zu Gott, fuhr ich fort, bloß um dieſer Seelenruhe willen, waͤre es der Muͤhe wehrt ein Chriſt zu ſeyn, und ſich den Forderungen des Evangelii zu un- terwerfen, wenn ſie gleich, ſo lange wir ſie noch nicht kennen, und ihre Vernunftmaͤßigkeit und ihren Einfluß auf unſer Heil noch nicht einſehen, unſern Begierden ſchwer und unnatuͤrlich vorkommen moͤgen. Aber Gott hat uns noch weit mehr Vortheile von der willigen Annahme und Befolgung der Wahrheit verſprochen. Eine ſeelige Zukunft nach dem Tode ſoll der Lohn unſrer glaͤubigen Sinnesaͤnderung ſeyn. Die Hoffnung, die der Chriſt dazu hat, macht ihn ſchon hier gewiſſermaaßen ſeelig. Roͤm. 8,24. Durch den Tod wird die Verbindung des Leibes und der Seele, in der ſie hier mit einander leben, aufge- hoben.

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Zitationshilfe: Münter, Balthasar: Bekehrungsgeschichte des vormaligen Grafen [...] Johann Friederich Struensee. Kopenhagen, 1772, S. 202. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muenter_bekehren_1772/214>, abgerufen am 21.11.2024.