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Münter, Balthasar: Bekehrungsgeschichte des vormaligen Grafen [...] Johann Friederich Struensee. Kopenhagen, 1772.

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möchte. -- Hier müssen wir in Ansehung seines Raht-
schlusses von unsrer Seeligkeit mit Schwürigkeiten käm-
pfen, und uns durch Finsternisse hindurch arbeiten: dort
wird sich alles, was uns itzt in der Religion schwer und
dunkel ist, in die einfachste Wahrheit, in das hellste Licht
auflösen, so daß wir uns mit Freuden darüber verwundern
werden, wie vortrefflich alles zusammenhängt, und wie
unmöglich es anders und besser seyn konnte, als es ist.
1 Joh. 3, 2. 1 Cor. 13, 9-12.

Bey Gelegenheit der Worte Pauli in der ange-
führten Stelle ward der Zusammenhang unsrer Unterre-
dung ein wenig unterbrochen. Jch erklärte sie ihm, und
zeigte, wie schön sich Paulus hier ausdrücke. Der Graf
bewunderte das Richtige und Treffende in den Bildern,
deren er sich bediene. Jch finde nun, sagte er, da ich mit
der Schreibart der Apostel immer mehr bekannt werde,
daß sie sehr gut ja zuweilen unnachahmlich schön und zu-
gleich simpel und verständlich schreiben. Er führte mir
verschiedene Stellen zum Beyspiele an, besonders aus
Röm. 8. Es mögen einmahl, setzte er hinzu, andere Fi-
scher oder Zöllner oder Teppichmacher es versuchen so zu
schreiben, als die Evangelisten und Apostel. --

Endlich, fuhr ich hierauf fort, wird auch unser
Herz, dessen Freuden immer die empfindlichsten und süße-
sten sind, beständig der angenehmsten Empfindungen voll
seyn. Was muß nicht schon das Bewußtseyn, daß man
von aller Sündlichkeit befreyt sey, daß man gewiß nichts
anders denke und wolle, als was Gott gefällt, was muß
nicht die davon abhängende Seelenruhe für eine Glücksee-
ligkeit seyn? Beurtheilen Sie das aus Jhrer eignen
Empfindung, die Sie itzt schon haben. Wie süß ist es
Jhnen nicht zu wissen, daß Sie itzt besser denken und han-
deln, als vormals, daß Sie sich, weil Sie nun glau-
ben und thun, wie Gott es Jhnen vorschreibt, seines
Wohlgefallens an Jhnen getrösten dürfen! Gründet sich

nicht



moͤchte. — Hier muͤſſen wir in Anſehung ſeines Raht-
ſchluſſes von unſrer Seeligkeit mit Schwuͤrigkeiten kaͤm-
pfen, und uns durch Finſterniſſe hindurch arbeiten: dort
wird ſich alles, was uns itzt in der Religion ſchwer und
dunkel iſt, in die einfachſte Wahrheit, in das hellſte Licht
aufloͤsen, ſo daß wir uns mit Freuden daruͤber verwundern
werden, wie vortrefflich alles zuſammenhaͤngt, und wie
unmoͤglich es anders und beſſer ſeyn konnte, als es iſt.
1 Joh. 3, 2. 1 Cor. 13, 9-12.

Bey Gelegenheit der Worte Pauli in der ange-
fuͤhrten Stelle ward der Zuſammenhang unſrer Unterre-
dung ein wenig unterbrochen. Jch erklaͤrte ſie ihm, und
zeigte, wie ſchoͤn ſich Paulus hier ausdruͤcke. Der Graf
bewunderte das Richtige und Treffende in den Bildern,
deren er ſich bediene. Jch finde nun, ſagte er, da ich mit
der Schreibart der Apoſtel immer mehr bekannt werde,
daß ſie ſehr gut ja zuweilen unnachahmlich ſchoͤn und zu-
gleich ſimpel und verſtaͤndlich ſchreiben. Er fuͤhrte mir
verſchiedene Stellen zum Beyſpiele an, beſonders aus
Roͤm. 8. Es moͤgen einmahl, ſetzte er hinzu, andere Fi-
ſcher oder Zoͤllner oder Teppichmacher es verſuchen ſo zu
ſchreiben, als die Evangeliſten und Apoſtel. —

Endlich, fuhr ich hierauf fort, wird auch unſer
Herz, deſſen Freuden immer die empfindlichſten und ſuͤße-
ſten ſind, beſtaͤndig der angenehmſten Empfindungen voll
ſeyn. Was muß nicht ſchon das Bewußtſeyn, daß man
von aller Suͤndlichkeit befreyt ſey, daß man gewiß nichts
anders denke und wolle, als was Gott gefaͤllt, was muß
nicht die davon abhaͤngende Seelenruhe fuͤr eine Gluͤckſee-
ligkeit ſeyn? Beurtheilen Sie das aus Jhrer eignen
Empfindung, die Sie itzt ſchon haben. Wie ſuͤß iſt es
Jhnen nicht zu wiſſen, daß Sie itzt beſſer denken und han-
deln, als vormals, daß Sie ſich, weil Sie nun glau-
ben und thun, wie Gott es Jhnen vorſchreibt, ſeines
Wohlgefallens an Jhnen getroͤſten duͤrfen! Gruͤndet ſich

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[226/0238] moͤchte. — Hier muͤſſen wir in Anſehung ſeines Raht- ſchluſſes von unſrer Seeligkeit mit Schwuͤrigkeiten kaͤm- pfen, und uns durch Finſterniſſe hindurch arbeiten: dort wird ſich alles, was uns itzt in der Religion ſchwer und dunkel iſt, in die einfachſte Wahrheit, in das hellſte Licht aufloͤsen, ſo daß wir uns mit Freuden daruͤber verwundern werden, wie vortrefflich alles zuſammenhaͤngt, und wie unmoͤglich es anders und beſſer ſeyn konnte, als es iſt. 1 Joh. 3, 2. 1 Cor. 13, 9-12. Bey Gelegenheit der Worte Pauli in der ange- fuͤhrten Stelle ward der Zuſammenhang unſrer Unterre- dung ein wenig unterbrochen. Jch erklaͤrte ſie ihm, und zeigte, wie ſchoͤn ſich Paulus hier ausdruͤcke. Der Graf bewunderte das Richtige und Treffende in den Bildern, deren er ſich bediene. Jch finde nun, ſagte er, da ich mit der Schreibart der Apoſtel immer mehr bekannt werde, daß ſie ſehr gut ja zuweilen unnachahmlich ſchoͤn und zu- gleich ſimpel und verſtaͤndlich ſchreiben. Er fuͤhrte mir verſchiedene Stellen zum Beyſpiele an, beſonders aus Roͤm. 8. Es moͤgen einmahl, ſetzte er hinzu, andere Fi- ſcher oder Zoͤllner oder Teppichmacher es verſuchen ſo zu ſchreiben, als die Evangeliſten und Apoſtel. — Endlich, fuhr ich hierauf fort, wird auch unſer Herz, deſſen Freuden immer die empfindlichſten und ſuͤße- ſten ſind, beſtaͤndig der angenehmſten Empfindungen voll ſeyn. Was muß nicht ſchon das Bewußtſeyn, daß man von aller Suͤndlichkeit befreyt ſey, daß man gewiß nichts anders denke und wolle, als was Gott gefaͤllt, was muß nicht die davon abhaͤngende Seelenruhe fuͤr eine Gluͤckſee- ligkeit ſeyn? Beurtheilen Sie das aus Jhrer eignen Empfindung, die Sie itzt ſchon haben. Wie ſuͤß iſt es Jhnen nicht zu wiſſen, daß Sie itzt beſſer denken und han- deln, als vormals, daß Sie ſich, weil Sie nun glau- ben und thun, wie Gott es Jhnen vorſchreibt, ſeines Wohlgefallens an Jhnen getroͤſten duͤrfen! Gruͤndet ſich nicht

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Zitationshilfe: Münter, Balthasar: Bekehrungsgeschichte des vormaligen Grafen [...] Johann Friederich Struensee. Kopenhagen, 1772, S. 226. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muenter_bekehren_1772/238>, abgerufen am 21.11.2024.