Münter, Balthasar: Bekehrungsgeschichte des vormaligen Grafen [...] Johann Friederich Struensee. Kopenhagen, 1772.eine vernünftige Prüfung aushalten können. Jch würde Sie also unbeweglich angehört haben. Hätten Sie meine Jmagination zu Jhrem Vortheil brauchen wollen, so würden Sie haben suchen müssen, sie mit schreckenden Bildern von der Ewigkeit zu erfüllen. Und da würden Sie noch weniger ausgerichtet haben, als durch die De- clamation. Jch glaubte viel zu fest, daß ich nach dem Tode nichts zu hoffen noch zu fürchten hätte, und über dieses würde auch aller Eindruck, den Sie etwa durch die Furcht bey mir gemacht hätten, bald wieder geschwächt und durch die darauf folgende Wiederhohlung meines alten Systems ganz ausgelöscht worden seyn. Es blieb also kein andrer Weg für Sie übrig, als der, welchen Sie mit mir gegangen sind, die ruhige Untersuchung. Jch will Jhnen nun erzählen, was ich für eine Entschließung gefaßt hatte, ehe Sie zu mir kamen, und aus welchen Gründen ich mich mit Jhnen einließ. Etwa acht Tage vor Jhrem ersten Besuch, fragte mich der Herr Commendant, ob ich nicht mit einem vernünftigen Geistlichen sprechen wollte? Weil ich mir vorstellte, daß jeder Geistliche mir entwe- der viel vorpredigen, oder mich mit fürchterlichen Vor- stellungen überhäufen würde, so verbat ich mir den Vor- schlag des Generals. Jch sagte: ich und jeder Geistliche werden in unsern Meynungen unendlich weit abstehen, und zu disputiren habe ich keine Lust. Jnzwischen konnte ich mir wohl vorstellen, daß mir die Regierung gleichwohl einen Prediger senden würde. Jch nahm mir also vor den Prediger, wenn er sich meldete, anzunehmen, ihm höflich zu begegnen, ihn ruhig und anständig anzuhören, und ihm bey Endigung des ersten Besuches zu sagen, daß, wenn er Befehl hätte, mich fleißig zu besuchen, er mir immer willkommen seyn sollte. Jch bäte ihn aber, er möchte sich keine Hoffnung machen, daß er bey mir etwas ausrichten würde, denn ich sey von meinen Meynungen viel zu sehr überzeugt, und werde mich daher in keine unnütze Q 2
eine vernuͤnftige Pruͤfung aushalten koͤnnen. Jch wuͤrde Sie alſo unbeweglich angehoͤrt haben. Haͤtten Sie meine Jmagination zu Jhrem Vortheil brauchen wollen, ſo wuͤrden Sie haben ſuchen muͤſſen, ſie mit ſchreckenden Bildern von der Ewigkeit zu erfuͤllen. Und da wuͤrden Sie noch weniger ausgerichtet haben, als durch die De- clamation. Jch glaubte viel zu feſt, daß ich nach dem Tode nichts zu hoffen noch zu fuͤrchten haͤtte, und uͤber dieſes wuͤrde auch aller Eindruck, den Sie etwa durch die Furcht bey mir gemacht haͤtten, bald wieder geſchwaͤcht und durch die darauf folgende Wiederhohlung meines alten Syſtems ganz ausgeloͤſcht worden ſeyn. Es blieb alſo kein andrer Weg fuͤr Sie uͤbrig, als der, welchen Sie mit mir gegangen ſind, die ruhige Unterſuchung. Jch will Jhnen nun erzaͤhlen, was ich fuͤr eine Entſchließung gefaßt hatte, ehe Sie zu mir kamen, und aus welchen Gruͤnden ich mich mit Jhnen einließ. Etwa acht Tage vor Jhrem erſten Beſuch, fragte mich der Herr Commendant, ob ich nicht mit einem vernuͤnftigen Geiſtlichen ſprechen wollte? Weil ich mir vorſtellte, daß jeder Geiſtliche mir entwe- der viel vorpredigen, oder mich mit fuͤrchterlichen Vor- ſtellungen uͤberhaͤufen wuͤrde, ſo verbat ich mir den Vor- ſchlag des Generals. Jch ſagte: ich und jeder Geiſtliche werden in unſern Meynungen unendlich weit abſtehen, und zu diſputiren habe ich keine Luſt. Jnzwiſchen konnte ich mir wohl vorſtellen, daß mir die Regierung gleichwohl einen Prediger ſenden wuͤrde. Jch nahm mir alſo vor den Prediger, wenn er ſich meldete, anzunehmen, ihm hoͤflich zu begegnen, ihn ruhig und anſtaͤndig anzuhoͤren, und ihm bey Endigung des erſten Beſuches zu ſagen, daß, wenn er Befehl haͤtte, mich fleißig zu beſuchen, er mir immer willkommen ſeyn ſollte. Jch baͤte ihn aber, er moͤchte ſich keine Hoffnung machen, daß er bey mir etwas ausrichten wuͤrde, denn ich ſey von meinen Meynungen viel zu ſehr uͤberzeugt, und werde mich daher in keine unnuͤtze Q 2
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eine vernuͤnftige Pruͤfung aushalten koͤnnen. Jch wuͤrde
Sie alſo unbeweglich angehoͤrt haben. Haͤtten Sie meine
Jmagination zu Jhrem Vortheil brauchen wollen, ſo
wuͤrden Sie haben ſuchen muͤſſen, ſie mit ſchreckenden
Bildern von der Ewigkeit zu erfuͤllen. Und da wuͤrden
Sie noch weniger ausgerichtet haben, als durch die De-
clamation. Jch glaubte viel zu feſt, daß ich nach dem
Tode nichts zu hoffen noch zu fuͤrchten haͤtte, und uͤber
dieſes wuͤrde auch aller Eindruck, den Sie etwa durch die
Furcht bey mir gemacht haͤtten, bald wieder geſchwaͤcht
und durch die darauf folgende Wiederhohlung meines alten
Syſtems ganz ausgeloͤſcht worden ſeyn. Es blieb alſo
kein andrer Weg fuͤr Sie uͤbrig, als der, welchen Sie
mit mir gegangen ſind, die ruhige Unterſuchung. Jch will
Jhnen nun erzaͤhlen, was ich fuͤr eine Entſchließung gefaßt
hatte, ehe Sie zu mir kamen, und aus welchen Gruͤnden
ich mich mit Jhnen einließ. Etwa acht Tage vor Jhrem
erſten Beſuch, fragte mich der Herr Commendant, ob ich
nicht mit einem vernuͤnftigen Geiſtlichen ſprechen wollte?
Weil ich mir vorſtellte, daß jeder Geiſtliche mir entwe-
der viel vorpredigen, oder mich mit fuͤrchterlichen Vor-
ſtellungen uͤberhaͤufen wuͤrde, ſo verbat ich mir den Vor-
ſchlag des Generals. Jch ſagte: ich und jeder Geiſtliche
werden in unſern Meynungen unendlich weit abſtehen,
und zu diſputiren habe ich keine Luſt. Jnzwiſchen konnte
ich mir wohl vorſtellen, daß mir die Regierung gleichwohl
einen Prediger ſenden wuͤrde. Jch nahm mir alſo vor
den Prediger, wenn er ſich meldete, anzunehmen, ihm
hoͤflich zu begegnen, ihn ruhig und anſtaͤndig anzuhoͤren,
und ihm bey Endigung des erſten Beſuches zu ſagen, daß,
wenn er Befehl haͤtte, mich fleißig zu beſuchen, er mir
immer willkommen ſeyn ſollte. Jch baͤte ihn aber, er
moͤchte ſich keine Hoffnung machen, daß er bey mir etwas
ausrichten wuͤrde, denn ich ſey von meinen Meynungen
viel zu ſehr uͤberzeugt, und werde mich daher in keine
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