Münter, Balthasar: Bekehrungsgeschichte des vormaligen Grafen [...] Johann Friederich Struensee. Kopenhagen, 1772.gewiß bemerken, in wie fern jeder einzeln nach seinem freyen Willen sich dessen Bestimmung gemäß verhält. Die Ab- sicht der allgemeinen Glückseeligkeit kann nicht erreicht wer- den, wenn nicht alle darin übereinstimmen. Gott habe so viele Güter in die Natur, und so man- Jst es nicht Stolz und Einbildung von unsrer innern Wie
gewiß bemerken, in wie fern jeder einzeln nach ſeinem freyen Willen ſich deſſen Beſtimmung gemaͤß verhaͤlt. Die Ab- ſicht der allgemeinen Gluͤckſeeligkeit kann nicht erreicht wer- den, wenn nicht alle darin uͤbereinſtimmen. Gott habe ſo viele Guͤter in die Natur, und ſo man- Jſt es nicht Stolz und Einbildung von unſrer innern Wie
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0304" n="292"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> gewiß bemerken, in wie fern jeder einzeln nach ſeinem freyen<lb/> Willen ſich deſſen Beſtimmung gemaͤß verhaͤlt. Die Ab-<lb/> ſicht der allgemeinen Gluͤckſeeligkeit kann nicht erreicht wer-<lb/> den, wenn nicht alle darin uͤbereinſtimmen.</p><lb/> <p>Gott habe ſo viele Guͤter in die Natur, und ſo man-<lb/> nichfaltige Triebe in den Menſchen gelegt, daß jeder gluͤcklich<lb/> werden koͤnne: iſt ein Scheingrund. Ein groͤßerer Beſitz<lb/> und mehrere Befriedigung geſchicht allezeit auf Unkoſten<lb/> und zum Misvergnuͤgen anderer. Die Begierde darin<lb/> einen groͤßern Zuwachſ zu erhalten, iſt daher ſchon eine<lb/> Abweichung von meiner Beſtimmung. Nur die Erweite-<lb/> rung der moraliſchen Vollkommenheit kann ohne Schaden<lb/> und zum Vortheil des Ganzen geſchehen. Die geringſte<lb/> Ausweichung hierin kann nicht anders als Gott misfaͤllig<lb/> ſeyn. Was koͤnnen wir uns fuͤr eine Entſchuldigung deswe-<lb/> gen machen? Diejenige, ſo dem Hofmann erlaubt, ſeinen<lb/> Herrn zu hintergehn um ſeinen Freunden zu dienen, und<lb/> dem Miniſter, den Vortheil des Ganzen aus perſoͤnlichen<lb/> Abſichten aus den Augen zu verlieren.</p><lb/> <p>Jſt es nicht Stolz und Einbildung von unſrer innern<lb/> Staͤrke, wenn wir durch unſre eigenen Kraͤfte tugendhaft<lb/> zu werden hoffen? Wenn wir in den Gegenſtaͤnden gemei-<lb/> niglich ſehen, was wir wollen; wenn es unendlich ſchwer<lb/> iſt, alle Begriffe im Gedaͤchtniß gegenwaͤrtig zu haben, die<lb/> zu einem richtigen Schluß erforderlich ſind; wenn wir die-<lb/> jenigen am leichteſten finden, die zu unſerm Endzweck die-<lb/> nen; wenn der kalte Weltweiſe oͤfters dasjenige findet, was<lb/> er vor der Unterſuchung als wahr angenommen: ſo kann<lb/> man leicht uͤberzeugt werden, wie unſicher die Vernunft-<lb/> ſchluͤſſe ſeyn muͤſſen, die uns den Genuß einer Sache, die<lb/> wir heftig begehren, erlauben oder verbieten ſollen. Nur<lb/> ein lebhafter Eindruck, der uns gegenſeitige Vorſtellungen<lb/> gleich gegenwaͤrtig macht, kann uns vom Jrrthum zuruͤck-<lb/> halten. Jſt aber einer, der bey allen Gemuͤhtsverfaſſungen<lb/> gleich ſtark wuͤrken kann, als das Andenken an Gott?</p><lb/> <fw place="bottom" type="catch">Wie</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [292/0304]
gewiß bemerken, in wie fern jeder einzeln nach ſeinem freyen
Willen ſich deſſen Beſtimmung gemaͤß verhaͤlt. Die Ab-
ſicht der allgemeinen Gluͤckſeeligkeit kann nicht erreicht wer-
den, wenn nicht alle darin uͤbereinſtimmen.
Gott habe ſo viele Guͤter in die Natur, und ſo man-
nichfaltige Triebe in den Menſchen gelegt, daß jeder gluͤcklich
werden koͤnne: iſt ein Scheingrund. Ein groͤßerer Beſitz
und mehrere Befriedigung geſchicht allezeit auf Unkoſten
und zum Misvergnuͤgen anderer. Die Begierde darin
einen groͤßern Zuwachſ zu erhalten, iſt daher ſchon eine
Abweichung von meiner Beſtimmung. Nur die Erweite-
rung der moraliſchen Vollkommenheit kann ohne Schaden
und zum Vortheil des Ganzen geſchehen. Die geringſte
Ausweichung hierin kann nicht anders als Gott misfaͤllig
ſeyn. Was koͤnnen wir uns fuͤr eine Entſchuldigung deswe-
gen machen? Diejenige, ſo dem Hofmann erlaubt, ſeinen
Herrn zu hintergehn um ſeinen Freunden zu dienen, und
dem Miniſter, den Vortheil des Ganzen aus perſoͤnlichen
Abſichten aus den Augen zu verlieren.
Jſt es nicht Stolz und Einbildung von unſrer innern
Staͤrke, wenn wir durch unſre eigenen Kraͤfte tugendhaft
zu werden hoffen? Wenn wir in den Gegenſtaͤnden gemei-
niglich ſehen, was wir wollen; wenn es unendlich ſchwer
iſt, alle Begriffe im Gedaͤchtniß gegenwaͤrtig zu haben, die
zu einem richtigen Schluß erforderlich ſind; wenn wir die-
jenigen am leichteſten finden, die zu unſerm Endzweck die-
nen; wenn der kalte Weltweiſe oͤfters dasjenige findet, was
er vor der Unterſuchung als wahr angenommen: ſo kann
man leicht uͤberzeugt werden, wie unſicher die Vernunft-
ſchluͤſſe ſeyn muͤſſen, die uns den Genuß einer Sache, die
wir heftig begehren, erlauben oder verbieten ſollen. Nur
ein lebhafter Eindruck, der uns gegenſeitige Vorſtellungen
gleich gegenwaͤrtig macht, kann uns vom Jrrthum zuruͤck-
halten. Jſt aber einer, der bey allen Gemuͤhtsverfaſſungen
gleich ſtark wuͤrken kann, als das Andenken an Gott?
Wie
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |