Münter, Balthasar: Bekehrungsgeschichte des vormaligen Grafen [...] Johann Friederich Struensee. Kopenhagen, 1772.Die menschliche Erkenntniß ist ungewiß; Sie Das alles fühlen Sie, und ich bin gewiß, Sie Es ist nicht anders, unglücklicher Herr Graf, Wann haben Sie angefangen leichtsinnig zu han- terdrücken.
Die menſchliche Erkenntniß iſt ungewiß; Sie Das alles fuͤhlen Sie, und ich bin gewiß, Sie Es iſt nicht anders, ungluͤcklicher Herr Graf, Wann haben Sie angefangen leichtſinnig zu han- terdruͤcken.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0039" n="27"/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Die menſchliche Erkenntniß iſt ungewiß; Sie<lb/> wollen ſich nicht gerne eine neue Jlluſion machen. Fuͤr<lb/> den Satz, der Menſch hat eine Seele, iſt Beweis da.<lb/> Fuͤr den, er iſt eine Maſchine, iſt keiner. Wo Beweis<lb/> iſt, da iſt kein Ungewißheit mehr, da iſt keine Jlluſion<lb/> zu befuͤrchten. Und waͤre eine zu befuͤrchten, ſo wollte<lb/> ich mich doch lieber von einer Lehre hintergehen laſſen,<lb/> die mir ſo vortheilhaft werden koͤnne, als von einer andern,<lb/> durch die ich ſchon in das tiefſte Elend geſtuͤrzt waͤre.</p><lb/> <p>Das alles fuͤhlen Sie, und ich bin gewiß, Sie<lb/> werden es auch nicht leugnen. So muͤſſen Sie alſo auch<lb/> zugeſtehen, daß Sie nur Ausfluͤchte machen, wenn Sie<lb/> von der Ungewißheit der menſchlichen Erkenntniß, von<lb/> der Moͤglichkeit einer neuer Jlluſion u.ſ.w. reden. Sol-<lb/> che Ausfluͤchte zu machen muͤſſen Sie doch Jhre gehei-<lb/> men Urſachen haben. Die will ich zu ergruͤnden ſuchen.</p><lb/> <p>Es iſt nicht anders, ungluͤcklicher Herr Graf,<lb/> Jhre Meynung, daß der Menſch nur eine Maſchine ſey,<lb/> iſt in Jhrem Herzen zu tief eingewurzelt. Sie lieben<lb/> ſie, Sie befuͤrchten etwas zu verlieren, das Jhnen ange-<lb/> nehm iſt, wenn Sie ſie fahren laſſen. Deswegen halten<lb/> Sie ſie bey allem Widerſpruch Jhrer geſunden Vernunft<lb/> ſo feſt. Das will ich Jhnen aus der Geſchichte Jhres<lb/> eigenen Herzens beweiſen.</p><lb/> <p>Wann haben Sie angefangen leichtſinnig zu han-<lb/> deln, den Trieben des Ehrgeizes zu folgen und den<lb/> Reizen der Wolluſt nachzugehen? Ganz gewiß in Jhrer<lb/> fruͤhen Jugend, ehe Sie noch auf den Gedanken verfie-<lb/> len, der Menſch ſey eine ſeelenloſe Maſchine. Das Ge-<lb/> fuͤhl, das Gott von der Sittlichkeit der Handlungen auch<lb/> in Jhre Seele gelegt hatte, verurſachte Jhnen zuweilen<lb/> Unzufriedenheit mit ſich ſelbſt. Die ſuchten Sie zu un-<lb/> <fw place="bottom" type="catch">terdruͤcken.</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [27/0039]
Die menſchliche Erkenntniß iſt ungewiß; Sie
wollen ſich nicht gerne eine neue Jlluſion machen. Fuͤr
den Satz, der Menſch hat eine Seele, iſt Beweis da.
Fuͤr den, er iſt eine Maſchine, iſt keiner. Wo Beweis
iſt, da iſt kein Ungewißheit mehr, da iſt keine Jlluſion
zu befuͤrchten. Und waͤre eine zu befuͤrchten, ſo wollte
ich mich doch lieber von einer Lehre hintergehen laſſen,
die mir ſo vortheilhaft werden koͤnne, als von einer andern,
durch die ich ſchon in das tiefſte Elend geſtuͤrzt waͤre.
Das alles fuͤhlen Sie, und ich bin gewiß, Sie
werden es auch nicht leugnen. So muͤſſen Sie alſo auch
zugeſtehen, daß Sie nur Ausfluͤchte machen, wenn Sie
von der Ungewißheit der menſchlichen Erkenntniß, von
der Moͤglichkeit einer neuer Jlluſion u.ſ.w. reden. Sol-
che Ausfluͤchte zu machen muͤſſen Sie doch Jhre gehei-
men Urſachen haben. Die will ich zu ergruͤnden ſuchen.
Es iſt nicht anders, ungluͤcklicher Herr Graf,
Jhre Meynung, daß der Menſch nur eine Maſchine ſey,
iſt in Jhrem Herzen zu tief eingewurzelt. Sie lieben
ſie, Sie befuͤrchten etwas zu verlieren, das Jhnen ange-
nehm iſt, wenn Sie ſie fahren laſſen. Deswegen halten
Sie ſie bey allem Widerſpruch Jhrer geſunden Vernunft
ſo feſt. Das will ich Jhnen aus der Geſchichte Jhres
eigenen Herzens beweiſen.
Wann haben Sie angefangen leichtſinnig zu han-
deln, den Trieben des Ehrgeizes zu folgen und den
Reizen der Wolluſt nachzugehen? Ganz gewiß in Jhrer
fruͤhen Jugend, ehe Sie noch auf den Gedanken verfie-
len, der Menſch ſey eine ſeelenloſe Maſchine. Das Ge-
fuͤhl, das Gott von der Sittlichkeit der Handlungen auch
in Jhre Seele gelegt hatte, verurſachte Jhnen zuweilen
Unzufriedenheit mit ſich ſelbſt. Die ſuchten Sie zu un-
terdruͤcken.
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