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Munzinger, Carl: Die Japaner. Berlin, 1898.

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aus dem selbstsüchtigen Trieb, allein die Herren der
Schöpfung zu sein. Vielmehr meinen sie, daß eine ge-
wisse passive Zurückhaltung des Weibes das natürliche
Verhältnis gegenüber dem Manne ausmache, geboren
aus der Erkenntnis, daß der Mann das kraftvolle,
mutige, energische und gebende Element ist, die Frau
aber von Natur das leidende, empfangende und still
sich bescheidende.

Es ist etwas überaus Zartes, Sanftes und Be-
scheidenes in dem gewinnenden Wesen der Japanerin.
Alles Sichvordrängen, alle unweibliche Energie ist ihr
fremd. Männliche Emanzipationsgelüste liegen ihr, der
man von früh auf die Ehe als einzigen und schönsten
Beruf des Weibes hingestellt hat, völlig fern. Alles,
was den Eindruck des sanften Frauencharakters stören
könnte, ist durch die Erziehung sorgfältig ausgemerzt
-- freilich auf Kosten der Individualität. Ohne eine
solche systematische Erziehung der Frau könnte von leid-
lich guten ehelichen Verhältnissen keine Rede sein. Es
verlohnt sich wohl der Mühe, einen kurzen Auszug aus
dem klassischen Werke für Frauenerziehung 1) hier wieder-
zugeben. Da heißt es: "Köstlicher als ein schönes Ge-
sicht ist für ein Weib ein tugendsames Herz. Eines
bösartigen Weibes Sinn ist immer aufgeregt; es schaut
wild, läßt seinen Ärger an andere aus, ihre Worte
sind keifend und ihr Ton ist roh. Wenn es spricht,
setzt es sich über andere, hechelt sie durch, bläht

1) Vergl. "Onna Daigaku" von dem Morallehrer Kaibara,
übersetzt von B. H. Chamberlain. Siehe dessen "Things Ja-
panese",
ein Buch, welches sich ebenso sehr durch reichen Inhalt
als durch gesundes Urteil ausgezeichnet und selbst für den alten
Residenten und guten Kenner Japans als Nachschlagebuch unent-
behrlich ist.

aus dem ſelbſtſüchtigen Trieb, allein die Herren der
Schöpfung zu ſein. Vielmehr meinen ſie, daß eine ge-
wiſſe paſſive Zurückhaltung des Weibes das natürliche
Verhältnis gegenüber dem Manne ausmache, geboren
aus der Erkenntnis, daß der Mann das kraftvolle,
mutige, energiſche und gebende Element iſt, die Frau
aber von Natur das leidende, empfangende und ſtill
ſich beſcheidende.

Es iſt etwas überaus Zartes, Sanftes und Be-
ſcheidenes in dem gewinnenden Weſen der Japanerin.
Alles Sichvordrängen, alle unweibliche Energie iſt ihr
fremd. Männliche Emanzipationsgelüſte liegen ihr, der
man von früh auf die Ehe als einzigen und ſchönſten
Beruf des Weibes hingeſtellt hat, völlig fern. Alles,
was den Eindruck des ſanften Frauencharakters ſtören
könnte, iſt durch die Erziehung ſorgfältig ausgemerzt
— freilich auf Koſten der Individualität. Ohne eine
ſolche ſyſtematiſche Erziehung der Frau könnte von leid-
lich guten ehelichen Verhältniſſen keine Rede ſein. Es
verlohnt ſich wohl der Mühe, einen kurzen Auszug aus
dem klaſſiſchen Werke für Frauenerziehung 1) hier wieder-
zugeben. Da heißt es: „Köſtlicher als ein ſchönes Ge-
ſicht iſt für ein Weib ein tugendſames Herz. Eines
bösartigen Weibes Sinn iſt immer aufgeregt; es ſchaut
wild, läßt ſeinen Ärger an andere aus, ihre Worte
ſind keifend und ihr Ton iſt roh. Wenn es ſpricht,
ſetzt es ſich über andere, hechelt ſie durch, bläht

1) Vergl. „Onna Daigaku“ von dem Morallehrer Kaibara,
überſetzt von B. H. Chamberlain. Siehe deſſen „Things Ja-
panese“,
ein Buch, welches ſich ebenſo ſehr durch reichen Inhalt
als durch geſundes Urteil ausgezeichnet und ſelbſt für den alten
Reſidenten und guten Kenner Japans als Nachſchlagebuch unent-
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[139/0153] aus dem ſelbſtſüchtigen Trieb, allein die Herren der Schöpfung zu ſein. Vielmehr meinen ſie, daß eine ge- wiſſe paſſive Zurückhaltung des Weibes das natürliche Verhältnis gegenüber dem Manne ausmache, geboren aus der Erkenntnis, daß der Mann das kraftvolle, mutige, energiſche und gebende Element iſt, die Frau aber von Natur das leidende, empfangende und ſtill ſich beſcheidende. Es iſt etwas überaus Zartes, Sanftes und Be- ſcheidenes in dem gewinnenden Weſen der Japanerin. Alles Sichvordrängen, alle unweibliche Energie iſt ihr fremd. Männliche Emanzipationsgelüſte liegen ihr, der man von früh auf die Ehe als einzigen und ſchönſten Beruf des Weibes hingeſtellt hat, völlig fern. Alles, was den Eindruck des ſanften Frauencharakters ſtören könnte, iſt durch die Erziehung ſorgfältig ausgemerzt — freilich auf Koſten der Individualität. Ohne eine ſolche ſyſtematiſche Erziehung der Frau könnte von leid- lich guten ehelichen Verhältniſſen keine Rede ſein. Es verlohnt ſich wohl der Mühe, einen kurzen Auszug aus dem klaſſiſchen Werke für Frauenerziehung 1) hier wieder- zugeben. Da heißt es: „Köſtlicher als ein ſchönes Ge- ſicht iſt für ein Weib ein tugendſames Herz. Eines bösartigen Weibes Sinn iſt immer aufgeregt; es ſchaut wild, läßt ſeinen Ärger an andere aus, ihre Worte ſind keifend und ihr Ton iſt roh. Wenn es ſpricht, ſetzt es ſich über andere, hechelt ſie durch, bläht 1) Vergl. „Onna Daigaku“ von dem Morallehrer Kaibara, überſetzt von B. H. Chamberlain. Siehe deſſen „Things Ja- panese“, ein Buch, welches ſich ebenſo ſehr durch reichen Inhalt als durch geſundes Urteil ausgezeichnet und ſelbſt für den alten Reſidenten und guten Kenner Japans als Nachſchlagebuch unent- behrlich iſt.

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Zitationshilfe: Munzinger, Carl: Die Japaner. Berlin, 1898, S. 139. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/munzinger_japaner_1898/153>, abgerufen am 21.11.2024.