hat ein Abgeordnetenhaus und ein Herrenhaus. Es ist heute keine Militärdespotie mehr wie noch vor dreißig und einigen Jahren unter der Herrschaft der Schogune. Wobei man sich aber die Zeit des Feudalismus nicht schlechthin als eine Schreckensherrschaft vorstellen darf. Die Schogune, von dem ersten, Yoritomo, bis zu dem letzten, Tokugawa Hitotsubaschi, waren allzeit bemüht, das Land in Ruhe und Ordnung zu regieren, und den meisten ist es gelungen. Wie das deutsche Mittelalter besondere Tugenden hervorgebracht hat, so hat der ja- panische Feudalismus die Tugenden der Vasallentreue und Ritterlichkeit zu hoher Blüte entwickelt. Also auch die sieben Jahrhunderte des Schogunats hatten ihren Idealismus. Ob die Tugenden des Feudalismus in der neuen Zeit standhalten werden?
"Neu Regiment bringt neue Menschen auf, Und früheres Verdienst veraltet schnell."
Niemand sehnt sich heute nach dem Feudalismus zurück, selbst nicht der jetzt noch lebende letzte der Scho- gune, der in der Provinzialstadt Shizuoka als fried- licher Privatmann einem beschaulichen Leben obliegt. Der heutige Japaner hat ein ungemein starkes Gefühl für das, was jener Zeit fehlte, was aber das Haupt- merkmal eines civilisierten Staates ausmacht: Gleiches Recht für alle. Noch bestand das Kastenwesen, und während die Angehörigen des Kriegerstandes, die Sa- murai, in vielen Dingen über dem Gesetze standen, waren die Glieder der verworfenen Kaste der Eta, die japanischen Paria, thatsächlich rechtlos. Daß die ganze höhere Bildung der Feudalzeit ein ausschließliches Vor- recht des Samuraistandes war, wurde schon erwähnt. Schon äußerlich durch das Tragen von zwei Schwertern
hat ein Abgeordnetenhaus und ein Herrenhaus. Es iſt heute keine Militärdespotie mehr wie noch vor dreißig und einigen Jahren unter der Herrſchaft der Schogune. Wobei man ſich aber die Zeit des Feudalismus nicht ſchlechthin als eine Schreckensherrſchaft vorſtellen darf. Die Schogune, von dem erſten, Yoritomo, bis zu dem letzten, Tokugawa Hitotſubaſchi, waren allzeit bemüht, das Land in Ruhe und Ordnung zu regieren, und den meiſten iſt es gelungen. Wie das deutſche Mittelalter beſondere Tugenden hervorgebracht hat, ſo hat der ja- paniſche Feudalismus die Tugenden der Vaſallentreue und Ritterlichkeit zu hoher Blüte entwickelt. Alſo auch die ſieben Jahrhunderte des Schogunats hatten ihren Idealismus. Ob die Tugenden des Feudalismus in der neuen Zeit ſtandhalten werden?
„Neu Regiment bringt neue Menſchen auf, Und früheres Verdienſt veraltet ſchnell.“
Niemand ſehnt ſich heute nach dem Feudalismus zurück, ſelbſt nicht der jetzt noch lebende letzte der Scho- gune, der in der Provinzialſtadt Shizuoka als fried- licher Privatmann einem beſchaulichen Leben obliegt. Der heutige Japaner hat ein ungemein ſtarkes Gefühl für das, was jener Zeit fehlte, was aber das Haupt- merkmal eines civiliſierten Staates ausmacht: Gleiches Recht für alle. Noch beſtand das Kaſtenweſen, und während die Angehörigen des Kriegerſtandes, die Sa- murai, in vielen Dingen über dem Geſetze ſtanden, waren die Glieder der verworfenen Kaſte der Eta, die japaniſchen Paria, thatſächlich rechtlos. Daß die ganze höhere Bildung der Feudalzeit ein ausſchließliches Vor- recht des Samuraiſtandes war, wurde ſchon erwähnt. Schon äußerlich durch das Tragen von zwei Schwertern
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hat ein Abgeordnetenhaus und ein Herrenhaus. Es iſt
heute keine Militärdespotie mehr wie noch vor dreißig
und einigen Jahren unter der Herrſchaft der Schogune.
Wobei man ſich aber die Zeit des Feudalismus nicht
ſchlechthin als eine Schreckensherrſchaft vorſtellen darf.
Die Schogune, von dem erſten, Yoritomo, bis zu dem
letzten, Tokugawa Hitotſubaſchi, waren allzeit bemüht,
das Land in Ruhe und Ordnung zu regieren, und den
meiſten iſt es gelungen. Wie das deutſche Mittelalter
beſondere Tugenden hervorgebracht hat, ſo hat der ja-
paniſche Feudalismus die Tugenden der Vaſallentreue
und Ritterlichkeit zu hoher Blüte entwickelt. Alſo auch
die ſieben Jahrhunderte des Schogunats hatten ihren
Idealismus. Ob die Tugenden des Feudalismus in
der neuen Zeit ſtandhalten werden?
„Neu Regiment bringt neue Menſchen auf,
Und früheres Verdienſt veraltet ſchnell.“
Niemand ſehnt ſich heute nach dem Feudalismus
zurück, ſelbſt nicht der jetzt noch lebende letzte der Scho-
gune, der in der Provinzialſtadt Shizuoka als fried-
licher Privatmann einem beſchaulichen Leben obliegt.
Der heutige Japaner hat ein ungemein ſtarkes Gefühl
für das, was jener Zeit fehlte, was aber das Haupt-
merkmal eines civiliſierten Staates ausmacht: Gleiches
Recht für alle. Noch beſtand das Kaſtenweſen, und
während die Angehörigen des Kriegerſtandes, die Sa-
murai, in vielen Dingen über dem Geſetze ſtanden,
waren die Glieder der verworfenen Kaſte der Eta, die
japaniſchen Paria, thatſächlich rechtlos. Daß die ganze
höhere Bildung der Feudalzeit ein ausſchließliches Vor-
recht des Samuraiſtandes war, wurde ſchon erwähnt.
Schon äußerlich durch das Tragen von zwei Schwertern
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Munzinger, Carl: Die Japaner. Berlin, 1898, S. 168. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/munzinger_japaner_1898/182>, abgerufen am 21.11.2024.
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