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Munzinger, Carl: Die Japaner. Berlin, 1898.

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mich auf späteren Spaziergängen überzeugte, sind auf
allen Zugängen zum Tempel in ähnlicher Entfernung
solche Torii angebracht, die somit das Gebiet des Kami
umgrenzen. Am Fuße des letzten kurzen Aufstiegs, auf
welchem der Tempel steht, kommt man wieder durch ein
hochragendes Torii und nach weiteren drei Minuten
steht man vor dem o miya. Das o miya oder yashiro
liegt in einem prächtigen Parkwald von uralten Krypto-
merien, deren eine ich und meine zwei Studenten mit
noch einem vierten nicht zu umspannen vermochten, und
die stimmungsvolle Umgebung, welche nicht bloß diesem,
sondern fast allen Shintotempeln und auch den Heilig-
tümern des Buddhismus eigen ist, macht auf den Be-
sucher unwillkürlich Eindruck. In dieser Beziehung
könnte das Christentum von dem Heidentum lernen.
Während man hier die Natur zu Hilfe nimmt, zieht
man im Christentum mehr die Kunst zu Rate; die Kunst
aber weist der Shintoismus von vornherein zurück.
Der Bau des Tempels ist von mehr als puritanischer
Einfachheit, jeder äußere Schmuck ist verpönt. Der
echte o miya ist aus reinem Naturholz, Stein und Erz
darf zu seinem Bau nicht verwendet werden. Der
Mitaketempel ist freilich, wie fast alle anderen Shinto-
tempel auch, rotbraun angestrichen, was auf den Ein-
fluß des Buddhismus zurückzuführen ist. Auf eine solche
Beeinflussung deuten auch zwei buddhistische Götzen, die
in kurzer Entfernung vor dem Tempel angebracht sind 1).

1) Schmiedel hat auf dem Friedhof zu Mitake die interessante
Beobachtung gemacht, daß bis zum Jahre 1874 alle Toten
buddhistisch beerdigt wurden. Ihre Grabsteine sind oft mit
buddhistischen Heiligenbildern, Bischöfen mit dem Krummstab
geziert. Vor allem aber ist an Stelle ihres eigentlichen Namens
stets ihr himmlischer Name gesetzt. Vom Jahre 1874, mit der

mich auf ſpäteren Spaziergängen überzeugte, ſind auf
allen Zugängen zum Tempel in ähnlicher Entfernung
ſolche Torii angebracht, die ſomit das Gebiet des Kami
umgrenzen. Am Fuße des letzten kurzen Aufſtiegs, auf
welchem der Tempel ſteht, kommt man wieder durch ein
hochragendes Torii und nach weiteren drei Minuten
ſteht man vor dem o miya. Das o miya oder yashiro
liegt in einem prächtigen Parkwald von uralten Krypto-
merien, deren eine ich und meine zwei Studenten mit
noch einem vierten nicht zu umſpannen vermochten, und
die ſtimmungsvolle Umgebung, welche nicht bloß dieſem,
ſondern faſt allen Shintotempeln und auch den Heilig-
tümern des Buddhismus eigen iſt, macht auf den Be-
ſucher unwillkürlich Eindruck. In dieſer Beziehung
könnte das Chriſtentum von dem Heidentum lernen.
Während man hier die Natur zu Hilfe nimmt, zieht
man im Chriſtentum mehr die Kunſt zu Rate; die Kunſt
aber weiſt der Shintoismus von vornherein zurück.
Der Bau des Tempels iſt von mehr als puritaniſcher
Einfachheit, jeder äußere Schmuck iſt verpönt. Der
echte o miya iſt aus reinem Naturholz, Stein und Erz
darf zu ſeinem Bau nicht verwendet werden. Der
Mitaketempel iſt freilich, wie faſt alle anderen Shinto-
tempel auch, rotbraun angeſtrichen, was auf den Ein-
fluß des Buddhismus zurückzuführen iſt. Auf eine ſolche
Beeinfluſſung deuten auch zwei buddhiſtiſche Götzen, die
in kurzer Entfernung vor dem Tempel angebracht ſind 1).

1) Schmiedel hat auf dem Friedhof zu Mitake die intereſſante
Beobachtung gemacht, daß bis zum Jahre 1874 alle Toten
buddhiſtiſch beerdigt wurden. Ihre Grabſteine ſind oft mit
buddhiſtiſchen Heiligenbildern, Biſchöfen mit dem Krummſtab
geziert. Vor allem aber iſt an Stelle ihres eigentlichen Namens
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[201/0215] mich auf ſpäteren Spaziergängen überzeugte, ſind auf allen Zugängen zum Tempel in ähnlicher Entfernung ſolche Torii angebracht, die ſomit das Gebiet des Kami umgrenzen. Am Fuße des letzten kurzen Aufſtiegs, auf welchem der Tempel ſteht, kommt man wieder durch ein hochragendes Torii und nach weiteren drei Minuten ſteht man vor dem o miya. Das o miya oder yashiro liegt in einem prächtigen Parkwald von uralten Krypto- merien, deren eine ich und meine zwei Studenten mit noch einem vierten nicht zu umſpannen vermochten, und die ſtimmungsvolle Umgebung, welche nicht bloß dieſem, ſondern faſt allen Shintotempeln und auch den Heilig- tümern des Buddhismus eigen iſt, macht auf den Be- ſucher unwillkürlich Eindruck. In dieſer Beziehung könnte das Chriſtentum von dem Heidentum lernen. Während man hier die Natur zu Hilfe nimmt, zieht man im Chriſtentum mehr die Kunſt zu Rate; die Kunſt aber weiſt der Shintoismus von vornherein zurück. Der Bau des Tempels iſt von mehr als puritaniſcher Einfachheit, jeder äußere Schmuck iſt verpönt. Der echte o miya iſt aus reinem Naturholz, Stein und Erz darf zu ſeinem Bau nicht verwendet werden. Der Mitaketempel iſt freilich, wie faſt alle anderen Shinto- tempel auch, rotbraun angeſtrichen, was auf den Ein- fluß des Buddhismus zurückzuführen iſt. Auf eine ſolche Beeinfluſſung deuten auch zwei buddhiſtiſche Götzen, die in kurzer Entfernung vor dem Tempel angebracht ſind 1). 1) Schmiedel hat auf dem Friedhof zu Mitake die intereſſante Beobachtung gemacht, daß bis zum Jahre 1874 alle Toten buddhiſtiſch beerdigt wurden. Ihre Grabſteine ſind oft mit buddhiſtiſchen Heiligenbildern, Biſchöfen mit dem Krummſtab geziert. Vor allem aber iſt an Stelle ihres eigentlichen Namens ſtets ihr himmliſcher Name geſetzt. Vom Jahre 1874, mit der

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Zitationshilfe: Munzinger, Carl: Die Japaner. Berlin, 1898, S. 201. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/munzinger_japaner_1898/215>, abgerufen am 24.11.2024.