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Munzinger, Carl: Die Japaner. Berlin, 1898.

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nützen nichts, sie schaden aber. Kleine, aber lebendige
Gemeinden sind besser als große und tote. Ein Feuer
mit einem Haufen Schlacken dazwischen brennt nicht
mehr und erlischt schließlich, mag auch der Ofen voll
bis oben an sein. Man werfe die Schlacken heraus,
und es flammt auf in neuer Glut. Lebendige Christen
halten sich gegenseitig warm; aber tote Christen da-
zwischen bringen am Ende die ganze Glaubens- und
Liebesglut einer Gemeinde zum Gefrieren. Das ist
das Geheimnis der ecclesiolae in ecclesia; auf diesem
Grundsatze sind die Sekten aufgebaut, und wer Gelegen-
heit hatte, die nahe Bekanntschaft von Sekten zu machen,
hat, bei allen seinen übrigen Bedenken, doch Wärme und
Leben in ihnen gefunden. Die bittere Seite der obigen
Wahrheit aber wird in der Staatskirche nur allzusehr
fühlbar.

Gänzlich verschieden von der Streichung ist die
Ausstoßung. Während sich jene auf Unkirchlichkeit be-
zieht, erfolgt diese auf Grund von Unsittlichkeit, von
gemeinen Vergehen. Es ist bezeichnend für das ja-
panische Christentum, daß die Praxis der amerikanischen
und englischen Mutterkirchen, häretische Mitglieder zu
exkommunizieren, bei ihm keinen Eingang gefunden hat.
Trotzdem es fast in jeder Gemeinde sehr freisinnige
Bekenner giebt, so ist mir kein einziger Fall eines
Ketzergerichts bekannt. Das ist ein Beweis für den
liberalen Sinn und die weitherzige Toleranz des ge-
samten evangelischen Christentums Japans. Dagegen
sollte es dem japanischen Christentum vorbehalten sein,
in anderer Hinsicht die Tradition der Exkommunikation
zu durchbrechen, indem es lediglich aus nationalen
Gründen einen sittlich und religiös sehr hoch stehenden
Mann ausschloß (s. S. 130 Anm.). Das war eine

nützen nichts, ſie ſchaden aber. Kleine, aber lebendige
Gemeinden ſind beſſer als große und tote. Ein Feuer
mit einem Haufen Schlacken dazwiſchen brennt nicht
mehr und erliſcht ſchließlich, mag auch der Ofen voll
bis oben an ſein. Man werfe die Schlacken heraus,
und es flammt auf in neuer Glut. Lebendige Chriſten
halten ſich gegenſeitig warm; aber tote Chriſten da-
zwiſchen bringen am Ende die ganze Glaubens- und
Liebesglut einer Gemeinde zum Gefrieren. Das iſt
das Geheimnis der ecclesiolae in ecclesia; auf dieſem
Grundſatze ſind die Sekten aufgebaut, und wer Gelegen-
heit hatte, die nahe Bekanntſchaft von Sekten zu machen,
hat, bei allen ſeinen übrigen Bedenken, doch Wärme und
Leben in ihnen gefunden. Die bittere Seite der obigen
Wahrheit aber wird in der Staatskirche nur allzuſehr
fühlbar.

Gänzlich verſchieden von der Streichung iſt die
Ausſtoßung. Während ſich jene auf Unkirchlichkeit be-
zieht, erfolgt dieſe auf Grund von Unſittlichkeit, von
gemeinen Vergehen. Es iſt bezeichnend für das ja-
paniſche Chriſtentum, daß die Praxis der amerikaniſchen
und engliſchen Mutterkirchen, häretiſche Mitglieder zu
exkommunizieren, bei ihm keinen Eingang gefunden hat.
Trotzdem es faſt in jeder Gemeinde ſehr freiſinnige
Bekenner giebt, ſo iſt mir kein einziger Fall eines
Ketzergerichts bekannt. Das iſt ein Beweis für den
liberalen Sinn und die weitherzige Toleranz des ge-
ſamten evangeliſchen Chriſtentums Japans. Dagegen
ſollte es dem japaniſchen Chriſtentum vorbehalten ſein,
in anderer Hinſicht die Tradition der Exkommunikation
zu durchbrechen, indem es lediglich aus nationalen
Gründen einen ſittlich und religiös ſehr hoch ſtehenden
Mann ausſchloß (ſ. S. 130 Anm.). Das war eine

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[360/0374] nützen nichts, ſie ſchaden aber. Kleine, aber lebendige Gemeinden ſind beſſer als große und tote. Ein Feuer mit einem Haufen Schlacken dazwiſchen brennt nicht mehr und erliſcht ſchließlich, mag auch der Ofen voll bis oben an ſein. Man werfe die Schlacken heraus, und es flammt auf in neuer Glut. Lebendige Chriſten halten ſich gegenſeitig warm; aber tote Chriſten da- zwiſchen bringen am Ende die ganze Glaubens- und Liebesglut einer Gemeinde zum Gefrieren. Das iſt das Geheimnis der ecclesiolae in ecclesia; auf dieſem Grundſatze ſind die Sekten aufgebaut, und wer Gelegen- heit hatte, die nahe Bekanntſchaft von Sekten zu machen, hat, bei allen ſeinen übrigen Bedenken, doch Wärme und Leben in ihnen gefunden. Die bittere Seite der obigen Wahrheit aber wird in der Staatskirche nur allzuſehr fühlbar. Gänzlich verſchieden von der Streichung iſt die Ausſtoßung. Während ſich jene auf Unkirchlichkeit be- zieht, erfolgt dieſe auf Grund von Unſittlichkeit, von gemeinen Vergehen. Es iſt bezeichnend für das ja- paniſche Chriſtentum, daß die Praxis der amerikaniſchen und engliſchen Mutterkirchen, häretiſche Mitglieder zu exkommunizieren, bei ihm keinen Eingang gefunden hat. Trotzdem es faſt in jeder Gemeinde ſehr freiſinnige Bekenner giebt, ſo iſt mir kein einziger Fall eines Ketzergerichts bekannt. Das iſt ein Beweis für den liberalen Sinn und die weitherzige Toleranz des ge- ſamten evangeliſchen Chriſtentums Japans. Dagegen ſollte es dem japaniſchen Chriſtentum vorbehalten ſein, in anderer Hinſicht die Tradition der Exkommunikation zu durchbrechen, indem es lediglich aus nationalen Gründen einen ſittlich und religiös ſehr hoch ſtehenden Mann ausſchloß (ſ. S. 130 Anm.). Das war eine

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Zitationshilfe: Munzinger, Carl: Die Japaner. Berlin, 1898, S. 360. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/munzinger_japaner_1898/374>, abgerufen am 22.11.2024.