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Munzinger, Carl: Die Japaner. Berlin, 1898.

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wollte, wäre übel beraten. Gereiften Konfirmanden
mögen wir wohl Jesus mit auf den Lebensweg geben
als Führer. Denn er ist ihnen aus persönlicher Erfah-
rung von Kind auf vertraut wie ein leibhaftiger Mensch
und ein treuer Freund. Für den Neubekehrten aber ist
Jesus das nicht. Für ihn ist er kaum mehr als ein
Abstraktum, eine Idee, wenn auch die höchste Idee, die
er kennt. An der unpersönlichen Idee, nebelhaft und
ungreifbar wie sie ist, ohne Fleisch und Bein, kann er
sich nicht festhalten. Dazu bedarf es einer lebendigen
Persönlichkeit, und das ist der Seelsorger. Das religiöse
Leben des Neubekehrten wird nur erhalten durch die
lebendige Persönlichkeit des Seelsorgers. In ihm sieht
er die Gedanken Christi verkörpert; in persönlichem Ver-
trauen zu dem Seelsorger, welcher den bekannten Mittler
zwischen ihm und einem unbekannten Dritten bildet,
bleibt er verbunden mit seinem Heiland. Geht ihm der
Seelsorger verloren, so geht das Mittelglied zwischen
ihm und dem Heiland verloren, so wird das Band mit
Jesus für ihn durchschnitten, so wird er hilflos preis-
gegeben jeder widrigen Strömung, die ihn von Jesus
wegtreiben könnte. Das persönliche Verhältnis zum
Seelsorger ist es, das ihn festhält. Kommt einmal ein
Windstoß, stark genug, um den leichten Japaner mit
fortzureißen, so ist es gut, daß der Seelsorger mit dem
ganzen Gewicht seiner autoritativen Persönlichkeit sich
an ihn hängt und ihn zurückhält. Von der Wichtigkeit
eines persönlichen Verhältnisses zwischen Seelsorger und
Christ auf dem Missionsgebiete macht sich hier zu Lande
kaum jemand einen Begriff. In vielen unserer Kirchen
steht der Seelsorger Sonntag für Sonntag auf seiner
Kanzel, und Sonntag für Sonntag kommen die Zuhörer,
die er persönlich nicht einmal kennt, aber sie kommen
doch und halten aus. Für den Heidenchristen aber

wollte, wäre übel beraten. Gereiften Konfirmanden
mögen wir wohl Jeſus mit auf den Lebensweg geben
als Führer. Denn er iſt ihnen aus perſönlicher Erfah-
rung von Kind auf vertraut wie ein leibhaftiger Menſch
und ein treuer Freund. Für den Neubekehrten aber iſt
Jeſus das nicht. Für ihn iſt er kaum mehr als ein
Abſtraktum, eine Idee, wenn auch die höchſte Idee, die
er kennt. An der unperſönlichen Idee, nebelhaft und
ungreifbar wie ſie iſt, ohne Fleiſch und Bein, kann er
ſich nicht feſthalten. Dazu bedarf es einer lebendigen
Perſönlichkeit, und das iſt der Seelſorger. Das religiöſe
Leben des Neubekehrten wird nur erhalten durch die
lebendige Perſönlichkeit des Seelſorgers. In ihm ſieht
er die Gedanken Chriſti verkörpert; in perſönlichem Ver-
trauen zu dem Seelſorger, welcher den bekannten Mittler
zwiſchen ihm und einem unbekannten Dritten bildet,
bleibt er verbunden mit ſeinem Heiland. Geht ihm der
Seelſorger verloren, ſo geht das Mittelglied zwiſchen
ihm und dem Heiland verloren, ſo wird das Band mit
Jeſus für ihn durchſchnitten, ſo wird er hilflos preis-
gegeben jeder widrigen Strömung, die ihn von Jeſus
wegtreiben könnte. Das perſönliche Verhältnis zum
Seelſorger iſt es, das ihn feſthält. Kommt einmal ein
Windſtoß, ſtark genug, um den leichten Japaner mit
fortzureißen, ſo iſt es gut, daß der Seelſorger mit dem
ganzen Gewicht ſeiner autoritativen Perſönlichkeit ſich
an ihn hängt und ihn zurückhält. Von der Wichtigkeit
eines perſönlichen Verhältniſſes zwiſchen Seelſorger und
Chriſt auf dem Miſſionsgebiete macht ſich hier zu Lande
kaum jemand einen Begriff. In vielen unſerer Kirchen
ſteht der Seelſorger Sonntag für Sonntag auf ſeiner
Kanzel, und Sonntag für Sonntag kommen die Zuhörer,
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[363/0377] wollte, wäre übel beraten. Gereiften Konfirmanden mögen wir wohl Jeſus mit auf den Lebensweg geben als Führer. Denn er iſt ihnen aus perſönlicher Erfah- rung von Kind auf vertraut wie ein leibhaftiger Menſch und ein treuer Freund. Für den Neubekehrten aber iſt Jeſus das nicht. Für ihn iſt er kaum mehr als ein Abſtraktum, eine Idee, wenn auch die höchſte Idee, die er kennt. An der unperſönlichen Idee, nebelhaft und ungreifbar wie ſie iſt, ohne Fleiſch und Bein, kann er ſich nicht feſthalten. Dazu bedarf es einer lebendigen Perſönlichkeit, und das iſt der Seelſorger. Das religiöſe Leben des Neubekehrten wird nur erhalten durch die lebendige Perſönlichkeit des Seelſorgers. In ihm ſieht er die Gedanken Chriſti verkörpert; in perſönlichem Ver- trauen zu dem Seelſorger, welcher den bekannten Mittler zwiſchen ihm und einem unbekannten Dritten bildet, bleibt er verbunden mit ſeinem Heiland. Geht ihm der Seelſorger verloren, ſo geht das Mittelglied zwiſchen ihm und dem Heiland verloren, ſo wird das Band mit Jeſus für ihn durchſchnitten, ſo wird er hilflos preis- gegeben jeder widrigen Strömung, die ihn von Jeſus wegtreiben könnte. Das perſönliche Verhältnis zum Seelſorger iſt es, das ihn feſthält. Kommt einmal ein Windſtoß, ſtark genug, um den leichten Japaner mit fortzureißen, ſo iſt es gut, daß der Seelſorger mit dem ganzen Gewicht ſeiner autoritativen Perſönlichkeit ſich an ihn hängt und ihn zurückhält. Von der Wichtigkeit eines perſönlichen Verhältniſſes zwiſchen Seelſorger und Chriſt auf dem Miſſionsgebiete macht ſich hier zu Lande kaum jemand einen Begriff. In vielen unſerer Kirchen ſteht der Seelſorger Sonntag für Sonntag auf ſeiner Kanzel, und Sonntag für Sonntag kommen die Zuhörer, die er perſönlich nicht einmal kennt, aber ſie kommen doch und halten aus. Für den Heidenchriſten aber

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Zitationshilfe: Munzinger, Carl: Die Japaner. Berlin, 1898, S. 363. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/munzinger_japaner_1898/377>, abgerufen am 22.11.2024.