gefällig anschmiegt. So soll unser Glaubensbekenntnis sein". So faßte denn unter Beiseitelassung aller Sym- bole, auch des Apostolikums, die Synode ihren Glauben in folgenden Sätzen zusammen: "Wir glauben an Einen Gott, absolut und vollkommen, welcher in der Bibel als Vater, Sohn und Heiliger Geist offenbart ist. Wir glauben an Jesus Christus, welcher, obgleich Gott, Mensch wurde, litt, starb und wieder auferstand für die Erlösung der Welt. Wir glauben an die Heilige Schrift, welche durch Inspiration gegeben wurde und uns weise macht zum Heil. Wir glauben an den Heiligen Geist, welcher neues Leben verleiht. Wir glauben an die Heilige Kirche, Taufe durch Wasser, Heiliges Abendmahl, den Tag des Herrn, Unsterblichkeit der Seele, Auferstehung der Toten und gerechtes Gericht". Daß diese Fassung eine glückliche ist, wird niemand behaupten. Auf den ersten Blick sieht man ihr die Übereilung an. Die Theologie ist noch in der Entwicklung begriffen und trotz des ungestümen und fast rücksichtslosen Vorgehens der Kumiaipastoren haben die alten Formeln noch soviel Gewalt über sie geübt, daß sie nicht imstande waren, das zum Ausdruck zu bringen, was ihnen als Kern der christlichen Religion, freilich noch unklar, vorschwebte. Aber in dem beweglichen Japan fühlt man sich durch solche Dokumente weit weniger gebunden als in dem strengeren Europa. Das obige Bekenntnis dürfte kaum mehr denn eine Entwicklungsphase auf dem beschrittenen Wege bedeuten. Hat man das Bessere nur einmal klar erkannt, so wird man es um dieses Besseren willen ohne Skrupel und Kämpfe ruhig preisgeben.
Immerhin mag sich der langsamere Schritt der "Kirche Christi" zweckentsprechender erweisen als das Marsch- tempo der Kumiai. Zwar zurückdrängen ließ sich auch
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gefällig anſchmiegt. So ſoll unſer Glaubensbekenntnis ſein“. So faßte denn unter Beiſeitelaſſung aller Sym- bole, auch des Apoſtolikums, die Synode ihren Glauben in folgenden Sätzen zuſammen: „Wir glauben an Einen Gott, abſolut und vollkommen, welcher in der Bibel als Vater, Sohn und Heiliger Geiſt offenbart iſt. Wir glauben an Jeſus Chriſtus, welcher, obgleich Gott, Menſch wurde, litt, ſtarb und wieder auferſtand für die Erlöſung der Welt. Wir glauben an die Heilige Schrift, welche durch Inſpiration gegeben wurde und uns weiſe macht zum Heil. Wir glauben an den Heiligen Geiſt, welcher neues Leben verleiht. Wir glauben an die Heilige Kirche, Taufe durch Waſſer, Heiliges Abendmahl, den Tag des Herrn, Unſterblichkeit der Seele, Auferſtehung der Toten und gerechtes Gericht“. Daß dieſe Faſſung eine glückliche iſt, wird niemand behaupten. Auf den erſten Blick ſieht man ihr die Übereilung an. Die Theologie iſt noch in der Entwicklung begriffen und trotz des ungeſtümen und faſt rückſichtsloſen Vorgehens der Kumiaipaſtoren haben die alten Formeln noch ſoviel Gewalt über ſie geübt, daß ſie nicht imſtande waren, das zum Ausdruck zu bringen, was ihnen als Kern der chriſtlichen Religion, freilich noch unklar, vorſchwebte. Aber in dem beweglichen Japan fühlt man ſich durch ſolche Dokumente weit weniger gebunden als in dem ſtrengeren Europa. Das obige Bekenntnis dürfte kaum mehr denn eine Entwicklungsphaſe auf dem beſchrittenen Wege bedeuten. Hat man das Beſſere nur einmal klar erkannt, ſo wird man es um dieſes Beſſeren willen ohne Skrupel und Kämpfe ruhig preisgeben.
Immerhin mag ſich der langſamere Schritt der „Kirche Chriſti“ zweckentſprechender erweiſen als das Marſch- tempo der Kumiai. Zwar zurückdrängen ließ ſich auch
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gefällig anſchmiegt. So ſoll unſer Glaubensbekenntnis
ſein“. So faßte denn unter Beiſeitelaſſung aller Sym-
bole, auch des Apoſtolikums, die Synode ihren Glauben
in folgenden Sätzen zuſammen: „Wir glauben an Einen
Gott, abſolut und vollkommen, welcher in der Bibel
als Vater, Sohn und Heiliger Geiſt offenbart iſt. Wir
glauben an Jeſus Chriſtus, welcher, obgleich Gott,
Menſch wurde, litt, ſtarb und wieder auferſtand für
die Erlöſung der Welt. Wir glauben an die Heilige
Schrift, welche durch Inſpiration gegeben wurde und
uns weiſe macht zum Heil. Wir glauben an den Heiligen
Geiſt, welcher neues Leben verleiht. Wir glauben an die
Heilige Kirche, Taufe durch Waſſer, Heiliges Abendmahl,
den Tag des Herrn, Unſterblichkeit der Seele, Auferſtehung
der Toten und gerechtes Gericht“. Daß dieſe Faſſung
eine glückliche iſt, wird niemand behaupten. Auf den
erſten Blick ſieht man ihr die Übereilung an. Die
Theologie iſt noch in der Entwicklung begriffen und
trotz des ungeſtümen und faſt rückſichtsloſen Vorgehens
der Kumiaipaſtoren haben die alten Formeln noch ſoviel
Gewalt über ſie geübt, daß ſie nicht imſtande waren,
das zum Ausdruck zu bringen, was ihnen als Kern der
chriſtlichen Religion, freilich noch unklar, vorſchwebte.
Aber in dem beweglichen Japan fühlt man ſich durch
ſolche Dokumente weit weniger gebunden als in dem
ſtrengeren Europa. Das obige Bekenntnis dürfte kaum
mehr denn eine Entwicklungsphaſe auf dem beſchrittenen
Wege bedeuten. Hat man das Beſſere nur einmal klar
erkannt, ſo wird man es um dieſes Beſſeren willen
ohne Skrupel und Kämpfe ruhig preisgeben.
Immerhin mag ſich der langſamere Schritt der „Kirche
Chriſti“ zweckentſprechender erweiſen als das Marſch-
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Munzinger, Carl: Die Japaner. Berlin, 1898, S. 385. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/munzinger_japaner_1898/399>, abgerufen am 22.11.2024.
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