Schwert des Geistes die Ufer des Rheins und der Donau für Christus eroberten. Unsere Kaufleute und unsere Soldaten haben heute andere Dinge zu thun, und wenn man ihnen sagte, daß auch für sie das Wort geschrieben ist: "Gehet hin in alle Welt und prediget das Evangelium aller Kreatur!" sie hätten dafür nur ein verständnislos verlegenes oder ein vornehm über- legenes Lächeln.
Und doch wirken auch die europäischen Laienchristen, wenn auch zum Teil wider ihren Willen, mit zu dem großen Werke der japanischen Volksbekehrung. In den frem- den Gelehrten, ja in der ganzen christlichen Welt, haben die Japaner das lebendige Beispiel vor sich, zu welch hoher Stufe der Kultur es die Völker gebracht haben, die sich christliche nennen, und in manchem Kopf bricht sich doch wohl die Überzeugung Bahn, daß zwischen Kultur und Christentum ein innerer Zusammenhang bestehe. Schon einmal sind solche Strömungen zu Tage getreten, und wenn sie heute auch verschwunden sind, so werden sie einst um so stärker wieder an die Ober- fläche kommen. Von den Abendländern haben die Japaner, welche des Lebens Zweck bis dahin in der Beschaulichkeit sahen, erst gelernt, was Pflichtgefühl ist. Die Kaufleute haben im besonderen das große Ver- dienst, daß sie die Japaner an Zuverlässigkeit und Ehrlichkeit im Handel gewöhnen, und in manchem euro- päischen Hause haben die Heiden das Vorbild einer christlichen Ehe und eines christlichen Familienlebens vor sich. Auch die opferfreudige Teilnahme der Abend- länder bei schweren nationalen Heimsuchungen, wie Erd- beben und Überschwemmungen, hat zu Zeiten großen Eindruck gemacht. So sind es eine ganze Reihe christ-
Schwert des Geiſtes die Ufer des Rheins und der Donau für Chriſtus eroberten. Unſere Kaufleute und unſere Soldaten haben heute andere Dinge zu thun, und wenn man ihnen ſagte, daß auch für ſie das Wort geſchrieben iſt: „Gehet hin in alle Welt und prediget das Evangelium aller Kreatur!“ ſie hätten dafür nur ein verſtändnislos verlegenes oder ein vornehm über- legenes Lächeln.
Und doch wirken auch die europäiſchen Laienchriſten, wenn auch zum Teil wider ihren Willen, mit zu dem großen Werke der japaniſchen Volksbekehrung. In den frem- den Gelehrten, ja in der ganzen chriſtlichen Welt, haben die Japaner das lebendige Beiſpiel vor ſich, zu welch hoher Stufe der Kultur es die Völker gebracht haben, die ſich chriſtliche nennen, und in manchem Kopf bricht ſich doch wohl die Überzeugung Bahn, daß zwiſchen Kultur und Chriſtentum ein innerer Zuſammenhang beſtehe. Schon einmal ſind ſolche Strömungen zu Tage getreten, und wenn ſie heute auch verſchwunden ſind, ſo werden ſie einſt um ſo ſtärker wieder an die Ober- fläche kommen. Von den Abendländern haben die Japaner, welche des Lebens Zweck bis dahin in der Beſchaulichkeit ſahen, erſt gelernt, was Pflichtgefühl iſt. Die Kaufleute haben im beſonderen das große Ver- dienſt, daß ſie die Japaner an Zuverläſſigkeit und Ehrlichkeit im Handel gewöhnen, und in manchem euro- päiſchen Hauſe haben die Heiden das Vorbild einer chriſtlichen Ehe und eines chriſtlichen Familienlebens vor ſich. Auch die opferfreudige Teilnahme der Abend- länder bei ſchweren nationalen Heimſuchungen, wie Erd- beben und Überſchwemmungen, hat zu Zeiten großen Eindruck gemacht. So ſind es eine ganze Reihe chriſt-
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Schwert des Geiſtes die Ufer des Rheins und der
Donau für Chriſtus eroberten. Unſere Kaufleute und
unſere Soldaten haben heute andere Dinge zu thun,
und wenn man ihnen ſagte, daß auch für ſie das Wort
geſchrieben iſt: „Gehet hin in alle Welt und prediget
das Evangelium aller Kreatur!“ ſie hätten dafür nur
ein verſtändnislos verlegenes oder ein vornehm über-
legenes Lächeln.
Und doch wirken auch die europäiſchen Laienchriſten,
wenn auch zum Teil wider ihren Willen, mit zu dem großen
Werke der japaniſchen Volksbekehrung. In den frem-
den Gelehrten, ja in der ganzen chriſtlichen Welt, haben
die Japaner das lebendige Beiſpiel vor ſich, zu welch
hoher Stufe der Kultur es die Völker gebracht haben,
die ſich chriſtliche nennen, und in manchem Kopf bricht
ſich doch wohl die Überzeugung Bahn, daß zwiſchen
Kultur und Chriſtentum ein innerer Zuſammenhang
beſtehe. Schon einmal ſind ſolche Strömungen zu Tage
getreten, und wenn ſie heute auch verſchwunden ſind,
ſo werden ſie einſt um ſo ſtärker wieder an die Ober-
fläche kommen. Von den Abendländern haben die
Japaner, welche des Lebens Zweck bis dahin in der
Beſchaulichkeit ſahen, erſt gelernt, was Pflichtgefühl iſt.
Die Kaufleute haben im beſonderen das große Ver-
dienſt, daß ſie die Japaner an Zuverläſſigkeit und
Ehrlichkeit im Handel gewöhnen, und in manchem euro-
päiſchen Hauſe haben die Heiden das Vorbild einer
chriſtlichen Ehe und eines chriſtlichen Familienlebens
vor ſich. Auch die opferfreudige Teilnahme der Abend-
länder bei ſchweren nationalen Heimſuchungen, wie Erd-
beben und Überſchwemmungen, hat zu Zeiten großen
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Munzinger, Carl: Die Japaner. Berlin, 1898, S. 414. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/munzinger_japaner_1898/428>, abgerufen am 24.11.2024.
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