englische Weberei vom Orient und vielleicht bald schon werden japanische Produkte dieser Art auf dem Markte von London zum Verkauf ausgeboten. Der Traum eines Japaners, daß die Schweiz die Industrie der Uhrmacherei und Flandern die der Spitzenfabrikation teilweise an Japan abzutreten haben, mag seiner Erfüllung nicht zu ferne sein. Je feiner die Arbeit und je komplizierter, desto besser paßt sie für den Japaner.
Aber auch an unser Wissen hat er sich gemacht, und auch das nicht ohne großen Erfolg. Was einfach über- nommen werden kann, was man sozusagen nur aus- wendig zu lernen braucht, eignet er sich mit spielender Leichtigkeit an. Er besitzt ein besseres mechanisches Ge- dächtnis als wir. Ganz besonders auffällig ist das bei der Erlernung von Sprachen. Es giebt Europäer, und sie sind nicht etwa Ausnahmen sondern Regel, die ein jahrzehnt und länger in Japan ansässig sind und die sich heute nur notdürftig verständlich machen können, die also über das Küchen- und Kulijapanisch nie hinaus- gekommen sind. Kommt man aber nach Yokohama oder Tokyo und redet einen gut gekleideten Japaner auf englisch an, so ist es wahrscheinlich, daß er englisch ant- wortet. An einen Studenten, der durch eine besondere Tracht als solcher gekennzeichnet ist, darf man sich ruhig in deutscher Sprache wenden; wahrscheinlich wird er sie verstehen. Deutsche Professoren unterrichten ihre Stu- denten mittels der deutschen, einige auch mittels der englischen Sprache. In der theologischen Schule unserer Mission geschieht der Unterricht in deutscher oder eng- lischer Sprache und auch bei der Aufnahme von Zög- lingen in die theologischen Seminare der Amerikaner ist die erste Bedingung die Kenntnis des Englischen, so zwar daß sie einem Vortrag zu folgen im stande sind.
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engliſche Weberei vom Orient und vielleicht bald ſchon werden japaniſche Produkte dieſer Art auf dem Markte von London zum Verkauf ausgeboten. Der Traum eines Japaners, daß die Schweiz die Induſtrie der Uhrmacherei und Flandern die der Spitzenfabrikation teilweiſe an Japan abzutreten haben, mag ſeiner Erfüllung nicht zu ferne ſein. Je feiner die Arbeit und je komplizierter, deſto beſſer paßt ſie für den Japaner.
Aber auch an unſer Wiſſen hat er ſich gemacht, und auch das nicht ohne großen Erfolg. Was einfach über- nommen werden kann, was man ſozuſagen nur aus- wendig zu lernen braucht, eignet er ſich mit ſpielender Leichtigkeit an. Er beſitzt ein beſſeres mechaniſches Ge- dächtnis als wir. Ganz beſonders auffällig iſt das bei der Erlernung von Sprachen. Es giebt Europäer, und ſie ſind nicht etwa Ausnahmen ſondern Regel, die ein jahrzehnt und länger in Japan anſäſſig ſind und die ſich heute nur notdürftig verſtändlich machen können, die alſo über das Küchen- und Kulijapaniſch nie hinaus- gekommen ſind. Kommt man aber nach Yokohama oder Tokyo und redet einen gut gekleideten Japaner auf engliſch an, ſo iſt es wahrſcheinlich, daß er engliſch ant- wortet. An einen Studenten, der durch eine beſondere Tracht als ſolcher gekennzeichnet iſt, darf man ſich ruhig in deutſcher Sprache wenden; wahrſcheinlich wird er ſie verſtehen. Deutſche Profeſſoren unterrichten ihre Stu- denten mittels der deutſchen, einige auch mittels der engliſchen Sprache. In der theologiſchen Schule unſerer Miſſion geſchieht der Unterricht in deutſcher oder eng- liſcher Sprache und auch bei der Aufnahme von Zög- lingen in die theologiſchen Seminare der Amerikaner iſt die erſte Bedingung die Kenntnis des Engliſchen, ſo zwar daß ſie einem Vortrag zu folgen im ſtande ſind.
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engliſche Weberei vom Orient und vielleicht bald ſchon
werden japaniſche Produkte dieſer Art auf dem Markte
von London zum Verkauf ausgeboten. Der Traum eines
Japaners, daß die Schweiz die Induſtrie der Uhrmacherei
und Flandern die der Spitzenfabrikation teilweiſe an
Japan abzutreten haben, mag ſeiner Erfüllung nicht zu
ferne ſein. Je feiner die Arbeit und je komplizierter,
deſto beſſer paßt ſie für den Japaner.
Aber auch an unſer Wiſſen hat er ſich gemacht, und
auch das nicht ohne großen Erfolg. Was einfach über-
nommen werden kann, was man ſozuſagen nur aus-
wendig zu lernen braucht, eignet er ſich mit ſpielender
Leichtigkeit an. Er beſitzt ein beſſeres mechaniſches Ge-
dächtnis als wir. Ganz beſonders auffällig iſt das bei
der Erlernung von Sprachen. Es giebt Europäer, und
ſie ſind nicht etwa Ausnahmen ſondern Regel, die ein
jahrzehnt und länger in Japan anſäſſig ſind und die
ſich heute nur notdürftig verſtändlich machen können,
die alſo über das Küchen- und Kulijapaniſch nie hinaus-
gekommen ſind. Kommt man aber nach Yokohama oder
Tokyo und redet einen gut gekleideten Japaner auf
engliſch an, ſo iſt es wahrſcheinlich, daß er engliſch ant-
wortet. An einen Studenten, der durch eine beſondere
Tracht als ſolcher gekennzeichnet iſt, darf man ſich ruhig
in deutſcher Sprache wenden; wahrſcheinlich wird er ſie
verſtehen. Deutſche Profeſſoren unterrichten ihre Stu-
denten mittels der deutſchen, einige auch mittels der
engliſchen Sprache. In der theologiſchen Schule unſerer
Miſſion geſchieht der Unterricht in deutſcher oder eng-
liſcher Sprache und auch bei der Aufnahme von Zög-
lingen in die theologiſchen Seminare der Amerikaner iſt
die erſte Bedingung die Kenntnis des Engliſchen, ſo zwar
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Munzinger, Carl: Die Japaner. Berlin, 1898, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/munzinger_japaner_1898/79>, abgerufen am 24.11.2024.
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