Die fremden Professoren sind mit ihren eingeborenen Schülern sehr zufrieden. In dem Kopfe eines japa- nischen Studenten ist eine Unmenge von Wissen auf- gespeichert. Der japanische Student ist fleißiger als der deutsche, eine Beobachtung, die sich schon an den auf deutschen Universitäten studierenden Japanern machen läßt. Der größte Feind des Studiums ist ihm unbe- kannt: Das Kneipen; mehr als für dieses begeistert er sich allmählich für den Sport: Rudern, Lawntennis, Fußball. Und das ist gut so. Denn er bedarf der körperlichen Erholung sehr dringend. Geistige Arbeit setzt ihm sehr stark zu, und viele kommen durch Über- arbeitung so herunter, daß sie nach dem Examen zu weiterer angestrengter Arbeit unfähig sind. Infolgedessen giebt es nicht wenige europäische Beobachter, welche behaupten, die Japaner lernten nur bis zum Examen und nur für das Examen, nicht aber für das Leben.
Der Japaner ist scharfsinnig, er ist das, was man landläufig mit gescheit bezeichnet. Seine Fassungsgabe ist rasch und sicher. Die Geduld des Lehrers stellt er auf keine allzuharte Probe. Würden deutsche und ja- panische Kinder zusammen unterrichtet, so würden in den ersten Jahren und voraussichtlich die ganze Elementar- schule hindurch die deutschen zurückstehen. Japanische Kinder bewältigen dasselbe Pensum in kürzerer Zeit. Später aber dürfte sich das Verhältnis anders gestalten. Der Japaner ist zufrieden, sich etwas angeeignet zu haben, und ohne weiteres speichert er es auf bei all dem andern, was er in der großen Schatzkammer seines Gedächtnisses angesammelt hat. Daran, daß er es noch einmal durch die Mühle seines eigenen Denkens schickt, denkt er nicht. Das einmal Erfaßte auch geistig zu verarbeiten und innerlich zu verdauen und so zu seinem eigensten und
Die fremden Profeſſoren ſind mit ihren eingeborenen Schülern ſehr zufrieden. In dem Kopfe eines japa- niſchen Studenten iſt eine Unmenge von Wiſſen auf- geſpeichert. Der japaniſche Student iſt fleißiger als der deutſche, eine Beobachtung, die ſich ſchon an den auf deutſchen Univerſitäten ſtudierenden Japanern machen läßt. Der größte Feind des Studiums iſt ihm unbe- kannt: Das Kneipen; mehr als für dieſes begeiſtert er ſich allmählich für den Sport: Rudern, Lawntennis, Fußball. Und das iſt gut ſo. Denn er bedarf der körperlichen Erholung ſehr dringend. Geiſtige Arbeit ſetzt ihm ſehr ſtark zu, und viele kommen durch Über- arbeitung ſo herunter, daß ſie nach dem Examen zu weiterer angeſtrengter Arbeit unfähig ſind. Infolgedeſſen giebt es nicht wenige europäiſche Beobachter, welche behaupten, die Japaner lernten nur bis zum Examen und nur für das Examen, nicht aber für das Leben.
Der Japaner iſt ſcharfſinnig, er iſt das, was man landläufig mit geſcheit bezeichnet. Seine Faſſungsgabe iſt raſch und ſicher. Die Geduld des Lehrers ſtellt er auf keine allzuharte Probe. Würden deutſche und ja- paniſche Kinder zuſammen unterrichtet, ſo würden in den erſten Jahren und vorausſichtlich die ganze Elementar- ſchule hindurch die deutſchen zurückſtehen. Japaniſche Kinder bewältigen dasſelbe Penſum in kürzerer Zeit. Später aber dürfte ſich das Verhältnis anders geſtalten. Der Japaner iſt zufrieden, ſich etwas angeeignet zu haben, und ohne weiteres ſpeichert er es auf bei all dem andern, was er in der großen Schatzkammer ſeines Gedächtniſſes angeſammelt hat. Daran, daß er es noch einmal durch die Mühle ſeines eigenen Denkens ſchickt, denkt er nicht. Das einmal Erfaßte auch geiſtig zu verarbeiten und innerlich zu verdauen und ſo zu ſeinem eigenſten und
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Die fremden Profeſſoren ſind mit ihren eingeborenen
Schülern ſehr zufrieden. In dem Kopfe eines japa-
niſchen Studenten iſt eine Unmenge von Wiſſen auf-
geſpeichert. Der japaniſche Student iſt fleißiger als der
deutſche, eine Beobachtung, die ſich ſchon an den auf
deutſchen Univerſitäten ſtudierenden Japanern machen
läßt. Der größte Feind des Studiums iſt ihm unbe-
kannt: Das Kneipen; mehr als für dieſes begeiſtert er
ſich allmählich für den Sport: Rudern, Lawntennis,
Fußball. Und das iſt gut ſo. Denn er bedarf der
körperlichen Erholung ſehr dringend. Geiſtige Arbeit
ſetzt ihm ſehr ſtark zu, und viele kommen durch Über-
arbeitung ſo herunter, daß ſie nach dem Examen zu
weiterer angeſtrengter Arbeit unfähig ſind. Infolgedeſſen
giebt es nicht wenige europäiſche Beobachter, welche
behaupten, die Japaner lernten nur bis zum Examen
und nur für das Examen, nicht aber für das Leben.
Der Japaner iſt ſcharfſinnig, er iſt das, was man
landläufig mit geſcheit bezeichnet. Seine Faſſungsgabe
iſt raſch und ſicher. Die Geduld des Lehrers ſtellt er
auf keine allzuharte Probe. Würden deutſche und ja-
paniſche Kinder zuſammen unterrichtet, ſo würden in den
erſten Jahren und vorausſichtlich die ganze Elementar-
ſchule hindurch die deutſchen zurückſtehen. Japaniſche
Kinder bewältigen dasſelbe Penſum in kürzerer Zeit.
Später aber dürfte ſich das Verhältnis anders geſtalten.
Der Japaner iſt zufrieden, ſich etwas angeeignet zu haben,
und ohne weiteres ſpeichert er es auf bei all dem andern,
was er in der großen Schatzkammer ſeines Gedächtniſſes
angeſammelt hat. Daran, daß er es noch einmal durch
die Mühle ſeines eigenen Denkens ſchickt, denkt er nicht.
Das einmal Erfaßte auch geiſtig zu verarbeiten und
innerlich zu verdauen und ſo zu ſeinem eigenſten und
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Munzinger, Carl: Die Japaner. Berlin, 1898, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/munzinger_japaner_1898/80>, abgerufen am 24.11.2024.
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