Musäus, Johann Karl August: Grandison der Zweite, Oder Geschichte des Herrn v. N*** in Briefen entworfen. [Erster Theil.] Eisenach, 1760.VI. Brief. Fräulein Amalia an ihren Bruder. Schönthal den 16. Mai. Mein Bruder, Deine Briefe haben uns ein unglaubliches Vergnügen gemacht. Der Baron war vorige Woche in der Stadt und erhielt sie da von der Post. Er setzte sich sogleich zu Pferde, um sie mir zu überbringen. Ich erbrach das Schreiben an mich, worinne ich das an den Magister eingeschlossen fand. Der Jäger mußte den Augenblick hinüber nach Kargfeld, und unsern Oncle nebst seiner Familie und den Magister zu uns einladen. Sie kamen etwas später als Herr Lampert, der sich in der Eile auf das Pferd unsers Jägers geschwungen hatte, und da war, ehe wir daran dachten. Er war ungedultig, den Brief an sich zu erbrechen; ich gab ihm aber diesen nicht eher, bis unser Oncle kam. Wir setzten uns nach den ersten Komplimenten VI. Brief. Fräulein Amalia an ihren Bruder. Schönthal den 16. Mai. Mein Bruder, Deine Briefe haben uns ein unglaubliches Vergnügen gemacht. Der Baron war vorige Woche in der Stadt und erhielt sie da von der Post. Er setzte sich sogleich zu Pferde, um sie mir zu überbringen. Ich erbrach das Schreiben an mich, worinne ich das an den Magister eingeschlossen fand. Der Jäger mußte den Augenblick hinüber nach Kargfeld, und unsern Oncle nebst seiner Familie und den Magister zu uns einladen. Sie kamen etwas später als Herr Lampert, der sich in der Eile auf das Pferd unsers Jägers geschwungen hatte, und da war, ehe wir daran dachten. Er war ungedultig, den Brief an sich zu erbrechen; ich gab ihm aber diesen nicht eher, bis unser Oncle kam. Wir setzten uns nach den ersten Komplimenten <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0046" n="31"/> <div type="letter" n="1"> <head> <hi rendition="#fr">VI. Brief.</hi><lb/> </head> <head> <hi rendition="#fr">Fräulein Amalia an ihren Bruder.</hi><lb/> </head> <opener> <dateline>Schönthal den 16. Mai.</dateline> <salute rendition="#c"> <hi rendition="#fr">Mein Bruder,</hi> </salute> </opener> <p>Deine Briefe haben uns ein unglaubliches Vergnügen gemacht. Der Baron war vorige Woche in der Stadt und erhielt sie da von der Post. Er setzte sich sogleich zu Pferde, um sie mir zu überbringen. Ich erbrach das Schreiben an mich, worinne ich das an den Magister eingeschlossen fand. Der Jäger mußte den Augenblick hinüber nach Kargfeld, und unsern Oncle nebst seiner Familie und den Magister zu uns einladen. Sie kamen etwas später als Herr Lampert, der sich in der Eile auf das Pferd unsers Jägers geschwungen hatte, und da war, ehe wir daran dachten. Er war ungedultig, den Brief an sich zu erbrechen; ich gab ihm aber diesen nicht eher, bis unser Oncle kam. Wir setzten uns nach den ersten Komplimenten </p> </div> </body> </text> </TEI> [31/0046]
VI. Brief.
Fräulein Amalia an ihren Bruder.
Schönthal den 16. Mai. Mein Bruder, Deine Briefe haben uns ein unglaubliches Vergnügen gemacht. Der Baron war vorige Woche in der Stadt und erhielt sie da von der Post. Er setzte sich sogleich zu Pferde, um sie mir zu überbringen. Ich erbrach das Schreiben an mich, worinne ich das an den Magister eingeschlossen fand. Der Jäger mußte den Augenblick hinüber nach Kargfeld, und unsern Oncle nebst seiner Familie und den Magister zu uns einladen. Sie kamen etwas später als Herr Lampert, der sich in der Eile auf das Pferd unsers Jägers geschwungen hatte, und da war, ehe wir daran dachten. Er war ungedultig, den Brief an sich zu erbrechen; ich gab ihm aber diesen nicht eher, bis unser Oncle kam. Wir setzten uns nach den ersten Komplimenten
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