Musäus, Johann Karl August: Grandison der Zweite, Oder Geschichte des Herrn v. N*** in Briefen entworfen. [Erster Theil.] Eisenach, 1760.um den Magister herum; er hatte die Stühle in einen halben Zirkel gestellet. Ich will mir einbilden, ich stünde vor dem römischen Senate, sagte er. Hier soll die Geschichte des Grandisons, wie dort das Schicksal der halben bevölkerten Welt, erwogen und beurtheilet werden. Er stund, lösete das Siegel auf, nachdem er die Aufschrift gelesen hatte, und warf einen so hastigen und begierigen Blick in den Brief, um ihn ganz zu übersehen; als wie ein heishungriger Knabe auf eine Buttersemmel schielt, um sie auf einmal zu verschlingen. Er las; aber bey dem ersten Zeilen fing er schon an zu stocken. Kaum hatte er noch so viel Kraft, die Worte herzustammlen: Die ganze Geschichte Sir Carl Grandisons ist erdichtet, da fiel ihm der Brief aus der Hand. Er stund wie angenagelt; sein Gesichte war entfärbet, und die Augen gläsern. Auf einmal riß er, mit einem entsetzlichen Geprassel, wie ich glaube, nach einen Gebrauche der Alten, seine Weste auf. Die hölzernen Dorlen aus den Knöpfen flogen uns in die Augen. Unser Oncle um den Magister herum; er hatte die Stühle in einen halben Zirkel gestellet. Ich will mir einbilden, ich stünde vor dem römischen Senate, sagte er. Hier soll die Geschichte des Grandisons, wie dort das Schicksal der halben bevölkerten Welt, erwogen und beurtheilet werden. Er stund, lösete das Siegel auf, nachdem er die Aufschrift gelesen hatte, und warf einen so hastigen und begierigen Blick in den Brief, um ihn ganz zu übersehen; als wie ein heishungriger Knabe auf eine Buttersemmel schielt, um sie auf einmal zu verschlingen. Er las; aber bey dem ersten Zeilen fing er schon an zu stocken. Kaum hatte er noch so viel Kraft, die Worte herzustammlen: Die ganze Geschichte Sir Carl Grandisons ist erdichtet, da fiel ihm der Brief aus der Hand. Er stund wie angenagelt; sein Gesichte war entfärbet, und die Augen gläsern. Auf einmal riß er, mit einem entsetzlichen Geprassel, wie ich glaube, nach einen Gebrauche der Alten, seine Weste auf. Die hölzernen Dorlen aus den Knöpfen flogen uns in die Augen. Unser Oncle <TEI> <text> <body> <div type="letter" n="1"> <p><pb facs="#f0047" n="32"/> um den Magister herum; er hatte die Stühle in einen halben Zirkel gestellet. Ich will mir einbilden, ich stünde vor dem römischen Senate, sagte er. Hier soll die Geschichte des Grandisons, wie dort das Schicksal der halben bevölkerten Welt, erwogen und beurtheilet werden. Er stund, lösete das Siegel auf, nachdem er die Aufschrift gelesen hatte, und warf einen so hastigen und begierigen Blick in den Brief, um ihn ganz zu übersehen; als wie ein heishungriger Knabe auf eine Buttersemmel schielt, um sie auf einmal zu verschlingen. Er las; aber bey dem ersten Zeilen fing er schon an zu stocken. Kaum hatte er noch so viel Kraft, die Worte herzustammlen: Die ganze Geschichte Sir Carl Grandisons ist erdichtet, da fiel ihm der Brief aus der Hand. Er stund wie angenagelt; sein Gesichte war entfärbet, und die Augen gläsern. Auf einmal riß er, mit einem entsetzlichen Geprassel, wie ich glaube, nach einen Gebrauche der Alten, seine Weste auf. Die hölzernen Dorlen aus den Knöpfen flogen uns in die Augen. Unser Oncle </p> </div> </body> </text> </TEI> [32/0047]
um den Magister herum; er hatte die Stühle in einen halben Zirkel gestellet. Ich will mir einbilden, ich stünde vor dem römischen Senate, sagte er. Hier soll die Geschichte des Grandisons, wie dort das Schicksal der halben bevölkerten Welt, erwogen und beurtheilet werden. Er stund, lösete das Siegel auf, nachdem er die Aufschrift gelesen hatte, und warf einen so hastigen und begierigen Blick in den Brief, um ihn ganz zu übersehen; als wie ein heishungriger Knabe auf eine Buttersemmel schielt, um sie auf einmal zu verschlingen. Er las; aber bey dem ersten Zeilen fing er schon an zu stocken. Kaum hatte er noch so viel Kraft, die Worte herzustammlen: Die ganze Geschichte Sir Carl Grandisons ist erdichtet, da fiel ihm der Brief aus der Hand. Er stund wie angenagelt; sein Gesichte war entfärbet, und die Augen gläsern. Auf einmal riß er, mit einem entsetzlichen Geprassel, wie ich glaube, nach einen Gebrauche der Alten, seine Weste auf. Die hölzernen Dorlen aus den Knöpfen flogen uns in die Augen. Unser Oncle
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2012-10-26T10:30:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2012-10-26T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2012-10-26T10:30:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |