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Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 1, 2. Aufl. Altenburg, 1779.

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Junker die Nativität dahin stellen, daß er
einmal in der Welt Aufsehen machen werd'
ungefehr halb so viel als eins oder auch als
alle drey dieser mit der Zahl sechs und sechs-
zig gestempelten Ding'. Des Kindesvater
erklärte die Sach' anders, meinte, die Zahl
drey und dreißig sey ihm immer glüklich ge-
wesen: er sey Anno drey und dreißig gebo-
ren; hab' im drey und dreißigsten Jahre
seine Kompagnie in Holland und seine Frau
bekommen; hab' auf die Zahl drey und
dreißig als das ietzige Lebensiahr der Kind-
betterin in's Lotto gesezt und einen bestimm-
ten Auszug gewonnen, von dessen Ertrag
er die drey und dreißig Gevattern zu bewir-
then gedächte.

Nachdem das erste Brausen der Unterre-
dung ein wenig verdunstet und der Koffee
herum war, zog eine beiahrte Tante und
Mitgevatterin ein seidnes Tuch hervor,
schlug's bedachtsam auseinander, und be-
schenkte ihr Pathgen mit einem zusammen
gelegten Papier, worinn ich eine gute Por-
tion Marggrafenpulver vermuthete; aber
mit nichten! 'S war eine Segensformel
aus der Gaßnerischen Fabrik, bey Kindern
und Erwachsenen als Amulet zu gebrau-

chen,

Junker die Nativitaͤt dahin ſtellen, daß er
einmal in der Welt Aufſehen machen werd’
ungefehr halb ſo viel als eins oder auch als
alle drey dieſer mit der Zahl ſechs und ſechs-
zig geſtempelten Ding’. Des Kindesvater
erklaͤrte die Sach’ anders, meinte, die Zahl
drey und dreißig ſey ihm immer gluͤklich ge-
weſen: er ſey Anno drey und dreißig gebo-
ren; hab’ im drey und dreißigſten Jahre
ſeine Kompagnie in Holland und ſeine Frau
bekommen; hab’ auf die Zahl drey und
dreißig als das ietzige Lebensiahr der Kind-
betterin in’s Lotto geſezt und einen beſtimm-
ten Auszug gewonnen, von deſſen Ertrag
er die drey und dreißig Gevattern zu bewir-
then gedaͤchte.

Nachdem das erſte Brauſen der Unterre-
dung ein wenig verdunſtet und der Koffee
herum war, zog eine beiahrte Tante und
Mitgevatterin ein ſeidnes Tuch hervor,
ſchlug’s bedachtſam auseinander, und be-
ſchenkte ihr Pathgen mit einem zuſammen
gelegten Papier, worinn ich eine gute Por-
tion Marggrafenpulver vermuthete; aber
mit nichten! ’S war eine Segensformel
aus der Gaßneriſchen Fabrik, bey Kindern
und Erwachſenen als Amulet zu gebrau-

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[106/0112] Junker die Nativitaͤt dahin ſtellen, daß er einmal in der Welt Aufſehen machen werd’ ungefehr halb ſo viel als eins oder auch als alle drey dieſer mit der Zahl ſechs und ſechs- zig geſtempelten Ding’. Des Kindesvater erklaͤrte die Sach’ anders, meinte, die Zahl drey und dreißig ſey ihm immer gluͤklich ge- weſen: er ſey Anno drey und dreißig gebo- ren; hab’ im drey und dreißigſten Jahre ſeine Kompagnie in Holland und ſeine Frau bekommen; hab’ auf die Zahl drey und dreißig als das ietzige Lebensiahr der Kind- betterin in’s Lotto geſezt und einen beſtimm- ten Auszug gewonnen, von deſſen Ertrag er die drey und dreißig Gevattern zu bewir- then gedaͤchte. Nachdem das erſte Brauſen der Unterre- dung ein wenig verdunſtet und der Koffee herum war, zog eine beiahrte Tante und Mitgevatterin ein ſeidnes Tuch hervor, ſchlug’s bedachtſam auseinander, und be- ſchenkte ihr Pathgen mit einem zuſammen gelegten Papier, worinn ich eine gute Por- tion Marggrafenpulver vermuthete; aber mit nichten! ’S war eine Segensformel aus der Gaßneriſchen Fabrik, bey Kindern und Erwachſenen als Amulet zu gebrau- chen,

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Zitationshilfe: Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 1, 2. Aufl. Altenburg, 1779, S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen01_1779/112>, abgerufen am 21.11.2024.