Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 1, 2. Aufl. Altenburg, 1779.ten Mann auch wohl zu Zeiten was drücken Hab's an mir selbst erfahren, was die Gefühl
ten Mann auch wohl zu Zeiten was druͤcken Hab’s an mir ſelbſt erfahren, was die Gefuͤhl
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0129" n="123"/> ten Mann auch wohl zu Zeiten was druͤcken<lb/> und wurmen, das ihn verſtimmt, ſo gut<lb/> wie mich ſeit zween Tagen. Da heftet<lb/> ſtracks ſeine Seel all’ ihre Aufmerkſamkeit<lb/> auf Diſkrepanzen und Diſſonanzen der Ge-<lb/> ſichtsformen, die ihm vorkommen, merkt<lb/> ieden Flecken den ſie bey guter Laun’ uͤberſe-<lb/> hen haͤtt, und dann uͤbt die Phantaſie ihre<lb/> gewoͤhnliche Taſchenſpielerey, macht aus<lb/> einer Muͤck’ ein Nashorn, verwiſcht all’<lb/> aufs Gute deutende Zuͤg’, und ſkizzirt eine<lb/> ſcheußliche Frazze hin, mit allen Attributen<lb/> der Tuͤck und Bosheit. Jſt alſo kein Wun-<lb/> der, wenn ſolch Jdeal den lieben Mann<lb/> baugt und das Herz engt, daß ihm ganz<lb/> weh drum wird und er ’naus muß, friſche<lb/> Luft zu ſchoͤpfen.</p><lb/> <p>Hab’s an mir ſelbſt erfahren, was die<lb/> Stimmung der Seel’, Laun’ oder Humor,<lb/> fuͤr Einfluß auf phyſiognomiſch Urtheil hab’.<lb/> Seit den paar Tagen daß ich uͤbler Laune<lb/> bin, leſ’ ich faſt iedes Geſicht meiner Freund<lb/> und Bekannten, aus der Nachbarſchaft um-<lb/> her, anders als ſonſt; ſind gleichwohl die<lb/> naͤmlichen Zuͤg und Linien, die ich all’ ſchon<lb/> hundertmal uͤberſchaut, auch einzeln und in<lb/> ihrer Zuſammenfuͤgung nach dem innren<lb/> <fw place="bottom" type="catch">Gefuͤhl</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [123/0129]
ten Mann auch wohl zu Zeiten was druͤcken
und wurmen, das ihn verſtimmt, ſo gut
wie mich ſeit zween Tagen. Da heftet
ſtracks ſeine Seel all’ ihre Aufmerkſamkeit
auf Diſkrepanzen und Diſſonanzen der Ge-
ſichtsformen, die ihm vorkommen, merkt
ieden Flecken den ſie bey guter Laun’ uͤberſe-
hen haͤtt, und dann uͤbt die Phantaſie ihre
gewoͤhnliche Taſchenſpielerey, macht aus
einer Muͤck’ ein Nashorn, verwiſcht all’
aufs Gute deutende Zuͤg’, und ſkizzirt eine
ſcheußliche Frazze hin, mit allen Attributen
der Tuͤck und Bosheit. Jſt alſo kein Wun-
der, wenn ſolch Jdeal den lieben Mann
baugt und das Herz engt, daß ihm ganz
weh drum wird und er ’naus muß, friſche
Luft zu ſchoͤpfen.
Hab’s an mir ſelbſt erfahren, was die
Stimmung der Seel’, Laun’ oder Humor,
fuͤr Einfluß auf phyſiognomiſch Urtheil hab’.
Seit den paar Tagen daß ich uͤbler Laune
bin, leſ’ ich faſt iedes Geſicht meiner Freund
und Bekannten, aus der Nachbarſchaft um-
her, anders als ſonſt; ſind gleichwohl die
naͤmlichen Zuͤg und Linien, die ich all’ ſchon
hundertmal uͤberſchaut, auch einzeln und in
ihrer Zuſammenfuͤgung nach dem innren
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