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Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 1, 2. Aufl. Altenburg, 1779.

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im Kinn weibliche Bonhommie. So das
Manual; aber der gegenwärtige Gefühls-
blick: recht hier an ihrem Platze! Eine bö-
se Sieben, zwischen den gutartigen Zügen
scheint eine gewisse Heftigkeit des Charak-
ters durch, eine fortwährende Ebbe und
Fluth der Leidenschaften, die alle häuslichen
Tugenden verschwemmt und vertrübt; im-
mer sieben lautkreischende Worte, statt einer
stillen That. Das abgerundete leichtbe-
wegliche Kinn deutet auf Geschwätzigkeit,
besonders wenns auf Verunglimpfung des
Nächsten gemeinet ist.

Nro. 12. Ein männliches kraftvolles
Gesicht. Jm Uebergang von der Stirn zur
Nase ist Verstand, in den Lippen wahre
Freundschaft und ächte Treue. Jetzt alles
das nicht, nichts mehr und nichts weniger,
als bengelhafte Drescherphysiognomie, Starr-
sinn, Eigendünkel, Stierartiger Stoßtrieb
und defensiver Trutz. Kurzum, ein bepan-
zerter vollkommen liebloses, dummschaden-
des Wesen, wie der ungeheure Nashorn-
käfer.

Nro. 17. Ein süßes iugendliches Ge-
schöpf, liebevolle Naivetät, Wohlwollen,
die Stirn so rein weiblich, die Nase einer

zarten

im Kinn weibliche Bonhommie. So das
Manual; aber der gegenwaͤrtige Gefuͤhls-
blick: recht hier an ihrem Platze! Eine boͤ-
ſe Sieben, zwiſchen den gutartigen Zuͤgen
ſcheint eine gewiſſe Heftigkeit des Charak-
ters durch, eine fortwaͤhrende Ebbe und
Fluth der Leidenſchaften, die alle haͤuslichen
Tugenden verſchwemmt und vertruͤbt; im-
mer ſieben lautkreiſchende Worte, ſtatt einer
ſtillen That. Das abgerundete leichtbe-
wegliche Kinn deutet auf Geſchwaͤtzigkeit,
beſonders wenns auf Verunglimpfung des
Naͤchſten gemeinet iſt.

Nro. 12. Ein maͤnnliches kraftvolles
Geſicht. Jm Uebergang von der Stirn zur
Naſe iſt Verſtand, in den Lippen wahre
Freundſchaft und aͤchte Treue. Jetzt alles
das nicht, nichts mehr und nichts weniger,
als bengelhafte Dreſcherphyſiognomie, Starr-
ſinn, Eigenduͤnkel, Stierartiger Stoßtrieb
und defenſiver Trutz. Kurzum, ein bepan-
zerter vollkommen liebloſes, dummſchaden-
des Weſen, wie der ungeheure Nashorn-
kaͤfer.

Nro. 17. Ein ſuͤßes iugendliches Ge-
ſchoͤpf, liebevolle Naivetaͤt, Wohlwollen,
die Stirn ſo rein weiblich, die Naſe einer

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[126/0132] im Kinn weibliche Bonhommie. So das Manual; aber der gegenwaͤrtige Gefuͤhls- blick: recht hier an ihrem Platze! Eine boͤ- ſe Sieben, zwiſchen den gutartigen Zuͤgen ſcheint eine gewiſſe Heftigkeit des Charak- ters durch, eine fortwaͤhrende Ebbe und Fluth der Leidenſchaften, die alle haͤuslichen Tugenden verſchwemmt und vertruͤbt; im- mer ſieben lautkreiſchende Worte, ſtatt einer ſtillen That. Das abgerundete leichtbe- wegliche Kinn deutet auf Geſchwaͤtzigkeit, beſonders wenns auf Verunglimpfung des Naͤchſten gemeinet iſt. Nro. 12. Ein maͤnnliches kraftvolles Geſicht. Jm Uebergang von der Stirn zur Naſe iſt Verſtand, in den Lippen wahre Freundſchaft und aͤchte Treue. Jetzt alles das nicht, nichts mehr und nichts weniger, als bengelhafte Dreſcherphyſiognomie, Starr- ſinn, Eigenduͤnkel, Stierartiger Stoßtrieb und defenſiver Trutz. Kurzum, ein bepan- zerter vollkommen liebloſes, dummſchaden- des Weſen, wie der ungeheure Nashorn- kaͤfer. Nro. 17. Ein ſuͤßes iugendliches Ge- ſchoͤpf, liebevolle Naivetaͤt, Wohlwollen, die Stirn ſo rein weiblich, die Naſe einer zarten

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Zitationshilfe: Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 1, 2. Aufl. Altenburg, 1779, S. 126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen01_1779/132>, abgerufen am 21.11.2024.