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Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 1, 2. Aufl. Altenburg, 1779.

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Mag. Gr. Ja, in der Allgemeinheit
des Begriffes von Nutzbarkeit wohl; aber
in Beziehung auf plus und minus, ist ein
geringer Vortheil, wenn ein größerer drü-
ber eingebüßt wird, Verlust. Was wür-
de man von einem Menschen sagen, der
Steine auflesen wollte, wenn er Trauben
sammlen könnte? Aus ienen kan kein Wein
gekeltert werden; aber sie können doch nütz-
lich seyn, die Straßen damit zu pflastern;
demungeachtet wär der Steinsammler ein
Thor, und das sind neun Zehntel unsrer
heutigen Gelehrten, die nicht mehr die
Trauben der alten Gelehrsamkeit pflücken
wollen, sondern sich begnügen, die Bach-
kieseln neoterischer Weisheit dafür aufzu-
lesen. Wo athmen iezt unsre Schriftstel-
ler Geist und Leben der Alten, entfernen sie
sich nicht täglich mehr und mehr von diesen
Mustern?

Will darüber nicht streiten. Sollen
denn aber unsre gelehrten Köpf' sich ewig
von den alten Autorn gängeln und am
Laufzaum führen lassen? Jst denn all un-
ser Wissen und Verstand erbaut auf den
Grund der alten Weisheit, wie unser
Glaub' auf den Grund der Propheten und

Apostel?
L

Mag. Gr. Ja, in der Allgemeinheit
des Begriffes von Nutzbarkeit wohl; aber
in Beziehung auf plus und minus, iſt ein
geringer Vortheil, wenn ein groͤßerer druͤ-
ber eingebuͤßt wird, Verluſt. Was wuͤr-
de man von einem Menſchen ſagen, der
Steine aufleſen wollte, wenn er Trauben
ſammlen koͤnnte? Aus ienen kan kein Wein
gekeltert werden; aber ſie koͤnnen doch nuͤtz-
lich ſeyn, die Straßen damit zu pflaſtern;
demungeachtet waͤr der Steinſammler ein
Thor, und das ſind neun Zehntel unſrer
heutigen Gelehrten, die nicht mehr die
Trauben der alten Gelehrſamkeit pfluͤcken
wollen, ſondern ſich begnuͤgen, die Bach-
kieſeln neoteriſcher Weisheit dafuͤr aufzu-
leſen. Wo athmen iezt unſre Schriftſtel-
ler Geiſt und Leben der Alten, entfernen ſie
ſich nicht taͤglich mehr und mehr von dieſen
Muſtern?

Will daruͤber nicht ſtreiten. Sollen
denn aber unſre gelehrten Koͤpf’ ſich ewig
von den alten Autorn gaͤngeln und am
Laufzaum fuͤhren laſſen? Jſt denn all un-
ſer Wiſſen und Verſtand erbaut auf den
Grund der alten Weisheit, wie unſer
Glaub’ auf den Grund der Propheten und

Apoſtel?
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[161/0167] Mag. Gr. Ja, in der Allgemeinheit des Begriffes von Nutzbarkeit wohl; aber in Beziehung auf plus und minus, iſt ein geringer Vortheil, wenn ein groͤßerer druͤ- ber eingebuͤßt wird, Verluſt. Was wuͤr- de man von einem Menſchen ſagen, der Steine aufleſen wollte, wenn er Trauben ſammlen koͤnnte? Aus ienen kan kein Wein gekeltert werden; aber ſie koͤnnen doch nuͤtz- lich ſeyn, die Straßen damit zu pflaſtern; demungeachtet waͤr der Steinſammler ein Thor, und das ſind neun Zehntel unſrer heutigen Gelehrten, die nicht mehr die Trauben der alten Gelehrſamkeit pfluͤcken wollen, ſondern ſich begnuͤgen, die Bach- kieſeln neoteriſcher Weisheit dafuͤr aufzu- leſen. Wo athmen iezt unſre Schriftſtel- ler Geiſt und Leben der Alten, entfernen ſie ſich nicht taͤglich mehr und mehr von dieſen Muſtern? Will daruͤber nicht ſtreiten. Sollen denn aber unſre gelehrten Koͤpf’ ſich ewig von den alten Autorn gaͤngeln und am Laufzaum fuͤhren laſſen? Jſt denn all un- ſer Wiſſen und Verſtand erbaut auf den Grund der alten Weisheit, wie unſer Glaub’ auf den Grund der Propheten und Apoſtel? L

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Zitationshilfe: Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 1, 2. Aufl. Altenburg, 1779, S. 161. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen01_1779/167>, abgerufen am 09.11.2024.