Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 1, 2. Aufl. Altenburg, 1779.

Bild:
<< vorherige Seite

Nahrung, und da heißt's von ihm: Ipse
alimenta sibi.
Nachdem der richtige gute
Geschmak und die Kultur des Geistes ein-
mal im Genge sind, die durch das Stu-
dium der Alten den ersten Anstoß und
Schwung erhielten, sind Genies unter uns
aufgewacht, die können was sie wollen;
nehmen, ausser der ersten Richtung, die
sie von ihren Zeitgenossen leicht empfangen,
alles aus sich selber, und bedürfen keiner
fremden Hülf mehr.

M. Gr. Leider! sind es die sogenann-
ten Genies, die alle gründliche Gelehrsam-
keit, durch Vernachläßigung der gelehrten
Sprachen, und Herabwürderung des Stu-
diums der Originalschriften der Griechen
und Römer verdringen wollen.

Da haben wir den Schulmann! Das ist
eben der Jud, der alle Münz für zu leicht
hält, die er nicht in seinem Seckel hat.
Die Schulleut' schreyen freilich gleich über
Verfall der Wissenschaften, wenn ihr Pri-
scian nicht mehr regierender Konsul in der
gelehrten Republik ist. Der ietzige Dik-
tator schlägt andre Befehl an, hats hoch
verpönt, daß kein Bürger des gelehrten
Staats anders ein Wort als in seiner Mut-

tersprach
L 2

Nahrung, und da heißt’s von ihm: Ipſe
alimenta ſibi.
Nachdem der richtige gute
Geſchmak und die Kultur des Geiſtes ein-
mal im Genge ſind, die durch das Stu-
dium der Alten den erſten Anſtoß und
Schwung erhielten, ſind Genies unter uns
aufgewacht, die koͤnnen was ſie wollen;
nehmen, auſſer der erſten Richtung, die
ſie von ihren Zeitgenoſſen leicht empfangen,
alles aus ſich ſelber, und beduͤrfen keiner
fremden Huͤlf mehr.

M. Gr. Leider! ſind es die ſogenann-
ten Genies, die alle gruͤndliche Gelehrſam-
keit, durch Vernachlaͤßigung der gelehrten
Sprachen, und Herabwuͤrderung des Stu-
diums der Originalſchriften der Griechen
und Roͤmer verdringen wollen.

Da haben wir den Schulmann! Das iſt
eben der Jud, der alle Muͤnz fuͤr zu leicht
haͤlt, die er nicht in ſeinem Seckel hat.
Die Schulleut’ ſchreyen freilich gleich uͤber
Verfall der Wiſſenſchaften, wenn ihr Pri-
ſcian nicht mehr regierender Konſul in der
gelehrten Republik iſt. Der ietzige Dik-
tator ſchlaͤgt andre Befehl an, hats hoch
verpoͤnt, daß kein Buͤrger des gelehrten
Staats anders ein Wort als in ſeiner Mut-

terſprach
L 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0169" n="163"/>
Nahrung, und da heißt&#x2019;s von ihm: <hi rendition="#aq">Ip&#x017F;e<lb/>
alimenta &#x017F;ibi.</hi> Nachdem der richtige gute<lb/>
Ge&#x017F;chmak und die Kultur des Gei&#x017F;tes ein-<lb/>
mal im Genge &#x017F;ind, die durch das Stu-<lb/>
dium der Alten den er&#x017F;ten An&#x017F;toß und<lb/>
Schwung erhielten, &#x017F;ind Genies unter uns<lb/>
aufgewacht, die ko&#x0364;nnen was &#x017F;ie wollen;<lb/>
nehmen, au&#x017F;&#x017F;er der er&#x017F;ten Richtung, die<lb/>
&#x017F;ie von ihren Zeitgeno&#x017F;&#x017F;en leicht empfangen,<lb/>
alles aus &#x017F;ich &#x017F;elber, und bedu&#x0364;rfen keiner<lb/>
fremden Hu&#x0364;lf mehr.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">M. Gr.</hi> Leider! &#x017F;ind es die &#x017F;ogenann-<lb/>
ten Genies, die alle gru&#x0364;ndliche Gelehr&#x017F;am-<lb/>
keit, durch Vernachla&#x0364;ßigung der gelehrten<lb/>
Sprachen, und Herabwu&#x0364;rderung des Stu-<lb/>
diums der Original&#x017F;chriften der Griechen<lb/>
und Ro&#x0364;mer verdringen wollen.</p><lb/>
          <p>Da haben wir den Schulmann! Das i&#x017F;t<lb/>
eben der Jud, der alle Mu&#x0364;nz fu&#x0364;r zu leicht<lb/>
ha&#x0364;lt, die er nicht in &#x017F;einem Seckel hat.<lb/>
Die Schulleut&#x2019; &#x017F;chreyen freilich gleich u&#x0364;ber<lb/>
Verfall der Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaften, wenn ihr Pri-<lb/>
&#x017F;cian nicht mehr regierender Kon&#x017F;ul in der<lb/>
gelehrten Republik i&#x017F;t. Der ietzige Dik-<lb/>
tator &#x017F;chla&#x0364;gt andre Befehl an, hats hoch<lb/>
verpo&#x0364;nt, daß kein Bu&#x0364;rger des gelehrten<lb/>
Staats anders ein Wort als in &#x017F;einer Mut-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">L 2</fw><fw place="bottom" type="catch">ter&#x017F;prach</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[163/0169] Nahrung, und da heißt’s von ihm: Ipſe alimenta ſibi. Nachdem der richtige gute Geſchmak und die Kultur des Geiſtes ein- mal im Genge ſind, die durch das Stu- dium der Alten den erſten Anſtoß und Schwung erhielten, ſind Genies unter uns aufgewacht, die koͤnnen was ſie wollen; nehmen, auſſer der erſten Richtung, die ſie von ihren Zeitgenoſſen leicht empfangen, alles aus ſich ſelber, und beduͤrfen keiner fremden Huͤlf mehr. M. Gr. Leider! ſind es die ſogenann- ten Genies, die alle gruͤndliche Gelehrſam- keit, durch Vernachlaͤßigung der gelehrten Sprachen, und Herabwuͤrderung des Stu- diums der Originalſchriften der Griechen und Roͤmer verdringen wollen. Da haben wir den Schulmann! Das iſt eben der Jud, der alle Muͤnz fuͤr zu leicht haͤlt, die er nicht in ſeinem Seckel hat. Die Schulleut’ ſchreyen freilich gleich uͤber Verfall der Wiſſenſchaften, wenn ihr Pri- ſcian nicht mehr regierender Konſul in der gelehrten Republik iſt. Der ietzige Dik- tator ſchlaͤgt andre Befehl an, hats hoch verpoͤnt, daß kein Buͤrger des gelehrten Staats anders ein Wort als in ſeiner Mut- terſprach L 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen01_1779
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen01_1779/169
Zitationshilfe: Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 1, 2. Aufl. Altenburg, 1779, S. 163. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen01_1779/169>, abgerufen am 21.05.2024.