Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 1, 2. Aufl. Altenburg, 1779.Als ich so weit mit meiner Neditation Bieder-
Als ich ſo weit mit meiner Neditation Bieder-
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Als ich ſo weit mit meiner Neditation
gekommen war, trat ich ganz wohlgemuth
ans Fenſter, ein wenig Luft zu ſchoͤpfen
und weiter druͤber nachzudenken, ſiehe, da
kam mit einemmal der Markus zum Thor
herein, war luſtig und vergnuͤgt; rief dem
Kellner zu: her ’n friſchen Trurk ’ch hab’
ſie wieder, die Hammel, hab ſie auskund-
ſchafter auf der Diebsherberg, der Kneip-
ſchenk’ im Wald’: ſind verarreſtirt. — Jch
wußt’ nicht was ich da zu hoͤren bekam und
ob ich meinen Sinnen trauen ſollt’, gleich-
wohl wars nicht anders. Thaͤt deßhalb
ganz gemach mein Fenſter zu und ſchlich
mißmuͤthig wieder zum Schreibtiſch. Sah
von ungefehr in Spiegel, fand mein Ge-
ſicht ganz entſtellt; alle Muſteln, die ſich
vorher iovialiſch gerundet und erhoben hat-
ten, hingen izt ſchlaff und ſchienen ver-
laͤngt: das Auge getruͤbt und verduͤſtert;
die Naſe bleich, der Mund verzerrt; die
Unterlippe herabhangend. Da kam mir
wieder ein Gedank ein: iſt kraun ein naͤrri-
ſcher Handel, dacht ich, einen Verdruß
darob zu faſſen, daß die Thatſach beweißt,
einer ſey ein ehrlicher Kerl, den die Phan-
taſie zum Dieb demoſtrirt. Biſt ſonſt ein
Bieder-
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