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Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 1, 2. Aufl. Altenburg, 1779.

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Was ist nun da zu thun? Meine phy-
siognomische Reputation kommt hier, merk
ich, sehr ins Gedränge. Soll ich beken-
nen, daß ich kein Seherauge hab? daß
mein Urtheil von des Markusphysiognomie
so mächtig windschief sey, als des Beam-
ten Spörtler seines von der meinen? Das
geht mir schwer ein! Wenn ich nicht ver-
mögend bin mittelst der Physiognomik ins
menschliche Herz zu schauen, und einen
ehrlichen Kerl mit einen Schurken eben so
leicht verwechsel als der Frank, was hilft
mir denn mein Studium? Hab's Schand
und Spott vor meinen Nachbarn, wenn
sie meinen Jrrthum innen werden. Wird
mich nicht ein Jeder, nach dem Ausdruck
des Gratarolus von Bergamo, für 'n blos-
sen Vultispex halten? Meine physiogno-
mischen Entdeckungen werden mir selbst so
zweifelhaft, als es die Entdeckung des Alt-
vaters Ana in unsern Zeiten worden ist;
's kan leicht kommen, daß das warme Bä-
der sind, was ich für Maulesel angesehen
habe. Jch wollt', der Freund, der mir
zuerst die Aehnlichkeit aus des Markus und
Rüdgerodts Profil heraus lorgnirt, wär
mit seinem Beobachtungsgeist daheim blie-

ben.

Was iſt nun da zu thun? Meine phy-
ſiognomiſche Reputation kommt hier, merk
ich, ſehr ins Gedraͤnge. Soll ich beken-
nen, daß ich kein Seherauge hab? daß
mein Urtheil von des Markusphyſiognomie
ſo maͤchtig windſchief ſey, als des Beam-
ten Spoͤrtler ſeines von der meinen? Das
geht mir ſchwer ein! Wenn ich nicht ver-
moͤgend bin mittelſt der Phyſiognomik ins
menſchliche Herz zu ſchauen, und einen
ehrlichen Kerl mit einen Schurken eben ſo
leicht verwechſel als der Frank, was hilft
mir denn mein Studium? Hab’s Schand
und Spott vor meinen Nachbarn, wenn
ſie meinen Jrrthum innen werden. Wird
mich nicht ein Jeder, nach dem Ausdruck
des Gratarolus von Bergamo, fuͤr ’n bloſ-
ſen Vultiſpex halten? Meine phyſiogno-
miſchen Entdeckungen werden mir ſelbſt ſo
zweifelhaft, als es die Entdeckung des Alt-
vaters Ana in unſern Zeiten worden iſt;
’s kan leicht kommen, daß das warme Baͤ-
der ſind, was ich fuͤr Mauleſel angeſehen
habe. Jch wollt’, der Freund, der mir
zuerſt die Aehnlichkeit aus des Markus und
Ruͤdgerodts Profil heraus lorgnirt, waͤr
mit ſeinem Beobachtungsgeiſt daheim blie-

ben.
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[186/0192] Was iſt nun da zu thun? Meine phy- ſiognomiſche Reputation kommt hier, merk ich, ſehr ins Gedraͤnge. Soll ich beken- nen, daß ich kein Seherauge hab? daß mein Urtheil von des Markusphyſiognomie ſo maͤchtig windſchief ſey, als des Beam- ten Spoͤrtler ſeines von der meinen? Das geht mir ſchwer ein! Wenn ich nicht ver- moͤgend bin mittelſt der Phyſiognomik ins menſchliche Herz zu ſchauen, und einen ehrlichen Kerl mit einen Schurken eben ſo leicht verwechſel als der Frank, was hilft mir denn mein Studium? Hab’s Schand und Spott vor meinen Nachbarn, wenn ſie meinen Jrrthum innen werden. Wird mich nicht ein Jeder, nach dem Ausdruck des Gratarolus von Bergamo, fuͤr ’n bloſ- ſen Vultiſpex halten? Meine phyſiogno- miſchen Entdeckungen werden mir ſelbſt ſo zweifelhaft, als es die Entdeckung des Alt- vaters Ana in unſern Zeiten worden iſt; ’s kan leicht kommen, daß das warme Baͤ- der ſind, was ich fuͤr Mauleſel angeſehen habe. Jch wollt’, der Freund, der mir zuerſt die Aehnlichkeit aus des Markus und Ruͤdgerodts Profil heraus lorgnirt, waͤr mit ſeinem Beobachtungsgeiſt daheim blie- ben.

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Zitationshilfe: Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 1, 2. Aufl. Altenburg, 1779, S. 186. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen01_1779/192>, abgerufen am 21.11.2024.