Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 1, 2. Aufl. Altenburg, 1779.stalt so meisterlich verbarg? Wie konnt' ei- Herr
ſtalt ſo meiſterlich verbarg? Wie konnt’ ei- Herr
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0198" n="192"/> ſtalt ſo meiſterlich verbarg? Wie konnt’ ei-<lb/> ne ſo gleißneriſche, falſche, krumme, hoͤcke-<lb/> rige Seel, in dieſem edlen, freyien, nach<lb/> dem richtigſten Ebenmaaß gebarten Koͤrper<lb/> wohnen? Wie war’s moͤglich, daß dieſe<lb/> Giftſpinn’ ein ſo herrlich Gewebe von Fa-<lb/> ſern und Muſkeln ausſpinnen konnt’? Und<lb/> wie war’s moͤglich, daß ſie nicht mit einem<lb/> ihrer acht mißgeſtalteten Fuͤß, an irgend<lb/> einem dieſer Faͤden ruckt’ und zuͤckt’, daß<lb/> man ihr Daſeyn im Mittelpunkt, durch ei-<lb/> nen einzigen verzerrten Zug haͤtt von auſſen<lb/> her vermerken moͤgen? Kauns nicht faſſen,<lb/> wie ein ſo heterogenes Ganzes, in die<lb/> Harmonie der Schoͤpfung eingewebt ſeyn<lb/> konnt. — Undankbare! haſt den ſchoͤnſten<lb/> Plan meines Lebens vernichtet, verachteſt<lb/> ſtolz die Aeuſſerungen meiner redlichen Ge-<lb/> ſinnung, als ſich in iener ſeligen Stunde,<lb/> mein Herz dir oͤfnete unter meinem Lieb-<lb/> lingsbaum’ im Felde. O wie ſchwoll dein<lb/> falſcher Buſen von erdichteter Zaͤrtlichkeit;<lb/> wie ahmten deine Krokodillsthraͤnen, die<lb/> ich fuͤr eitel Perlen achtete, innre Herzruͤh-<lb/> rung ſo kuͤnſtlich nach, als du mich bereit<lb/> fandeſt, dir meinen Stammbaum aufzu-<lb/> opfern, mein Vaterland zu verlaſſen, wie<lb/> <fw place="bottom" type="catch">Herr</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [192/0198]
ſtalt ſo meiſterlich verbarg? Wie konnt’ ei-
ne ſo gleißneriſche, falſche, krumme, hoͤcke-
rige Seel, in dieſem edlen, freyien, nach
dem richtigſten Ebenmaaß gebarten Koͤrper
wohnen? Wie war’s moͤglich, daß dieſe
Giftſpinn’ ein ſo herrlich Gewebe von Fa-
ſern und Muſkeln ausſpinnen konnt’? Und
wie war’s moͤglich, daß ſie nicht mit einem
ihrer acht mißgeſtalteten Fuͤß, an irgend
einem dieſer Faͤden ruckt’ und zuͤckt’, daß
man ihr Daſeyn im Mittelpunkt, durch ei-
nen einzigen verzerrten Zug haͤtt von auſſen
her vermerken moͤgen? Kauns nicht faſſen,
wie ein ſo heterogenes Ganzes, in die
Harmonie der Schoͤpfung eingewebt ſeyn
konnt. — Undankbare! haſt den ſchoͤnſten
Plan meines Lebens vernichtet, verachteſt
ſtolz die Aeuſſerungen meiner redlichen Ge-
ſinnung, als ſich in iener ſeligen Stunde,
mein Herz dir oͤfnete unter meinem Lieb-
lingsbaum’ im Felde. O wie ſchwoll dein
falſcher Buſen von erdichteter Zaͤrtlichkeit;
wie ahmten deine Krokodillsthraͤnen, die
ich fuͤr eitel Perlen achtete, innre Herzruͤh-
rung ſo kuͤnſtlich nach, als du mich bereit
fandeſt, dir meinen Stammbaum aufzu-
opfern, mein Vaterland zu verlaſſen, wie
Herr
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