Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 1, 2. Aufl. Altenburg, 1779.Seit zwey Jahren sind alle Jnquisiten Das Gute und Nützliche einer Sache gen;
Seit zwey Jahren ſind alle Jnquiſiten Das Gute und Nuͤtzliche einer Sache gen;
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Seit zwey Jahren ſind alle Jnquiſiten
beyderley Geſchlechts, in meinem Gewahr-
ſam genau abgeſchattet worden, anfangs
in der Jdee, nach ſolchen die Phyſiognomie
des Laſters zu ſtudiren, um einen Nachtrag
zum Lavateriſchen Coder einſt daraus zu we-
ben, wo dieſe Materie nie genau eroͤrtert wer-
den duͤrfte. Gleichwohl duͤnkt michs ungleich
wichtiger, den Boͤswicht, den Raͤuber, Ehe-
brecher oder Kelchvergifter, auf den erſten
Anblick zu erkennen und mit Gewißheit das
hic niger eſt, uͤber ihn ausſprechen zu koͤn-
nen; als eine poetiſirende, Himmelan-
ſchwebende aͤtheriſche Seele zu analyſiren,
die in ihre idealiſche Jnnigkeit verſchloſſen,
fuͤr die Socialitaͤt eine Null iſt; ohne Stoß-
kraft zwar, aber auch ohne Wolle.
Das Gute und Nuͤtzliche einer Sache
veroffenbart ſich indeſſen immer auf mehr
als eine Art. Sie ſehen, daß ich mit dem
Abſchatten meiner Verhafteten ſchon weiter
reiche, als ich Anfangs gezielt hatte. Es
kommt nur darauf an, daß bey meinen Kol-
legen, Richtern und Amtleuten, phyſiogno-
miſcher Sinn erwacht; ſo werden wir nicht
nur der Steckbriefe entrathen, und die Aus-
reiſſer durch ihren eignen Schatten verfol-
gen;
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