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Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 2. Altenburg, 1778.

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wenn einige zartfühlende Weiberseelen ihrer
Sage nach mit solchem Schnak bis zu
Schwindel und Ohnmachten sympathisiren
können, auch bey Dingen wo eigentlich
nichts zu empfindeln ist; bey der Beschrei-
bung des Todeskampfs, der lezten Zuckun-
gen und Zittern einer langbeinigen Mücke,
oder wenn einer eine welkende Blume herz-
brechend parentirt, ganz in Thränen und
Wehmuth zerfließen, indeß das Gewinsel
ihrer Kinder, die über Stuhlzwang oder
Bauchweh schreyen, ihr Trommelfell nicht
erschüttern kann: so ist doch für selbststän-
dige Männer der Empfindler Gewäsch lose
Speise ohne Saft und Kraft. Sind in
deren Auger die Empfindler überhaupt gar
schlechte Schützen, treffen immer's Zwerch-
fell, wenn sie aufs Herz zielen -- --

Eben da ich anfing zu bemerken, daß ich
in die Materie eingedrungen sey, und noch
mehr Monita über Empfindsamkeit und

Em-
K

wenn einige zartfuͤhlende Weiberſeelen ihrer
Sage nach mit ſolchem Schnak bis zu
Schwindel und Ohnmachten ſympathiſiren
koͤnnen, auch bey Dingen wo eigentlich
nichts zu empfindeln iſt; bey der Beſchrei-
bung des Todeskampfs, der lezten Zuckun-
gen und Zittern einer langbeinigen Muͤcke,
oder wenn einer eine welkende Blume herz-
brechend parentirt, ganz in Thraͤnen und
Wehmuth zerfließen, indeß das Gewinſel
ihrer Kinder, die uͤber Stuhlzwang oder
Bauchweh ſchreyen, ihr Trommelfell nicht
erſchuͤttern kann: ſo iſt doch fuͤr ſelbſtſtaͤn-
dige Maͤnner der Empfindler Gewaͤſch loſe
Speiſe ohne Saft und Kraft. Sind in
deren Auger die Empfindler uͤberhaupt gar
ſchlechte Schuͤtzen, treffen immer’s Zwerch-
fell, wenn ſie aufs Herz zielen — —

Eben da ich anfing zu bemerken, daß ich
in die Materie eingedrungen ſey, und noch
mehr Monita uͤber Empfindſamkeit und

Em-
K
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[145/0145] wenn einige zartfuͤhlende Weiberſeelen ihrer Sage nach mit ſolchem Schnak bis zu Schwindel und Ohnmachten ſympathiſiren koͤnnen, auch bey Dingen wo eigentlich nichts zu empfindeln iſt; bey der Beſchrei- bung des Todeskampfs, der lezten Zuckun- gen und Zittern einer langbeinigen Muͤcke, oder wenn einer eine welkende Blume herz- brechend parentirt, ganz in Thraͤnen und Wehmuth zerfließen, indeß das Gewinſel ihrer Kinder, die uͤber Stuhlzwang oder Bauchweh ſchreyen, ihr Trommelfell nicht erſchuͤttern kann: ſo iſt doch fuͤr ſelbſtſtaͤn- dige Maͤnner der Empfindler Gewaͤſch loſe Speiſe ohne Saft und Kraft. Sind in deren Auger die Empfindler uͤberhaupt gar ſchlechte Schuͤtzen, treffen immer’s Zwerch- fell, wenn ſie aufs Herz zielen — — Eben da ich anfing zu bemerken, daß ich in die Materie eingedrungen ſey, und noch mehr Monita uͤber Empfindſamkeit und Em- K

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Zitationshilfe: Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 2. Altenburg, 1778, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen02_1778/145>, abgerufen am 24.11.2024.