Anstandes, eher einen reputirlichen Mann, als einen Vagabonden vermuthen; auch schien er, außer einem Stabe von Weiß- dorn, der zur Nothwehr dienen konnte, und allenfalls einem Brodmesser, keine hauen- den und stechenden Waffen, oder Schießge- wehr bey sich zu führen. Das bewog mich, meinen Gefehrten genauer zu sondiren. Jch seh wol, fing ich an, wir ziehen einerley Straße, und keiner von uns weiß wo sie hinführt, will der Herr, so können wir uns den Weg durch ein Gespräch verkürzen. So viel ich aus des Herrn Physiognomie ur- theil, ist was in seiner Seel, das ihn drückt und bangt. Jst dem nicht also?
"Verstehn Sie sich auf Physiognomie Herr?"
Jch vermeins, wenigstens treib ich das Studium zu Beförderung der Menschen- kund' und Menschenliebe mit allem Fleiß.
"Zu
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Anſtandes, eher einen reputirlichen Mann, als einen Vagabonden vermuthen; auch ſchien er, außer einem Stabe von Weiß- dorn, der zur Nothwehr dienen konnte, und allenfalls einem Brodmeſſer, keine hauen- den und ſtechenden Waffen, oder Schießge- wehr bey ſich zu fuͤhren. Das bewog mich, meinen Gefehrten genauer zu ſondiren. Jch ſeh wol, fing ich an, wir ziehen einerley Straße, und keiner von uns weiß wo ſie hinfuͤhrt, will der Herr, ſo koͤnnen wir uns den Weg durch ein Geſpraͤch verkuͤrzen. So viel ich aus des Herrn Phyſiognomie ur- theil, iſt was in ſeiner Seel, das ihn druͤckt und bangt. Jſt dem nicht alſo?
„Verſtehn Sie ſich auf Phyſiognomie Herr?„
Jch vermeins, wenigſtens treib ich das Studium zu Befoͤrderung der Menſchen- kund’ und Menſchenliebe mit allem Fleiß.
„Zu
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Anſtandes, eher einen reputirlichen Mann,
als einen Vagabonden vermuthen; auch
ſchien er, außer einem Stabe von Weiß-
dorn, der zur Nothwehr dienen konnte, und
allenfalls einem Brodmeſſer, keine hauen-
den und ſtechenden Waffen, oder Schießge-
wehr bey ſich zu fuͤhren. Das bewog mich,
meinen Gefehrten genauer zu ſondiren. Jch
ſeh wol, fing ich an, wir ziehen einerley
Straße, und keiner von uns weiß wo ſie
hinfuͤhrt, will der Herr, ſo koͤnnen wir uns
den Weg durch ein Geſpraͤch verkuͤrzen. So
viel ich aus des Herrn Phyſiognomie ur-
theil, iſt was in ſeiner Seel, das ihn
druͤckt und bangt. Jſt dem nicht alſo?
„Verſtehn Sie ſich auf Phyſiognomie
Herr?„
Jch vermeins, wenigſtens treib ich das
Studium zu Befoͤrderung der Menſchen-
kund’ und Menſchenliebe mit allem Fleiß.
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Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 2. Altenburg, 1778, S. 179. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen02_1778/179>, abgerufen am 16.02.2025.
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