Die rohe Offenherzigkeit des Gesellen, ob sie mir gleich aufsiel, war mir doch nicht zuwider, denn nach dem zeitigen Weltlauf, pflegt die Subrusticität gemeiniglich vom Geniewesen beschwängert zu seyn, davon ich meiner Meynung nach während der Un- terredung mit dem physiognomischen Fünd- ling, hie und da einen Funken hatt' auf- sprühen sehen. Ueberdies hatt' ich weder seine paradoxa noch seine Person so ap- profondirt, wie ich wünscht', deshalb ge- genredet' ich also: nein Herr, so ists nicht gemeynt, wir haben noch viel mit einander abzumachen eh' wir uns scheiden. Der Herr muß mir seine Erfahrungen zum be- sten geben, damit ich belehrt werd', wie physiognomisch Studium Menschenhaß ge- bähren könn'.
"Der
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„Und auf morgen wuͤnſche wohl zu le- ben.„
Die rohe Offenherzigkeit des Geſellen, ob ſie mir gleich aufſiel, war mir doch nicht zuwider, denn nach dem zeitigen Weltlauf, pflegt die Subruſticitaͤt gemeiniglich vom Genieweſen beſchwaͤngert zu ſeyn, davon ich meiner Meynung nach waͤhrend der Un- terredung mit dem phyſiognomiſchen Fuͤnd- ling, hie und da einen Funken hatt’ auf- ſpruͤhen ſehen. Ueberdies hatt’ ich weder ſeine παραδοξα noch ſeine Perſon ſo ap- profondirt, wie ich wuͤnſcht’, deshalb ge- genredet’ ich alſo: nein Herr, ſo iſts nicht gemeynt, wir haben noch viel mit einander abzumachen eh’ wir uns ſcheiden. Der Herr muß mir ſeine Erfahrungen zum be- ſten geben, damit ich belehrt werd’, wie phyſiognomiſch Studium Menſchenhaß ge- baͤhren koͤnn’.
„Der
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„Und auf morgen wuͤnſche wohl zu le-
ben.„
Die rohe Offenherzigkeit des Geſellen, ob
ſie mir gleich aufſiel, war mir doch nicht
zuwider, denn nach dem zeitigen Weltlauf,
pflegt die Subruſticitaͤt gemeiniglich vom
Genieweſen beſchwaͤngert zu ſeyn, davon
ich meiner Meynung nach waͤhrend der Un-
terredung mit dem phyſiognomiſchen Fuͤnd-
ling, hie und da einen Funken hatt’ auf-
ſpruͤhen ſehen. Ueberdies hatt’ ich weder
ſeine παραδοξα noch ſeine Perſon ſo ap-
profondirt, wie ich wuͤnſcht’, deshalb ge-
genredet’ ich alſo: nein Herr, ſo iſts nicht
gemeynt, wir haben noch viel mit einander
abzumachen eh’ wir uns ſcheiden. Der
Herr muß mir ſeine Erfahrungen zum be-
ſten geben, damit ich belehrt werd’, wie
phyſiognomiſch Studium Menſchenhaß ge-
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Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 2. Altenburg, 1778, S. 227. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen02_1778/227>, abgerufen am 16.02.2025.
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