Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 2. Altenburg, 1778.

Bild:
<< vorherige Seite

schalen, dünnen, und Spitzköpf, die durch-
schlüpfen, und an denen man jezt zur Zeit
so leicht irr wird, auszuschießen und beyseit
zu thun.

Solchergestalt philosophirt' ich mir aus
dem Mann vor'm Ofen ein Dichtergenie
'raus, daß ich gleich ein juramentum cre-
dulitatis
drauf hätt' schwören wollen, daß
er eins sey. Nur war die Frag, wie er
mit Namen heiße, damit ich wissen möcht',
in welche poetische Atmosphäre der Zufall
mich heut gewälzt hätt. Jch besah meinen
Mann von Kopf zum Fuß, bemerkt, daß
er einen rothen Plüschsammtnen Rock trug;
obs gleich so schwül Wetter war, daß eine
Ananas unter freyem Himmel hätt reifen
mögen, dabey hatt' er eine lederfarbene
West' und Unterkleider. Jn dieser Tracht
wär er nun wohl an keinem Hof in Deutsch-
land Assambleefähig gewesen, wenns auch
gleich mit der Ahnentafel seine gute Rich-

tig-
D 5

ſchalen, duͤnnen, und Spitzkoͤpf, die durch-
ſchluͤpfen, und an denen man jezt zur Zeit
ſo leicht irr wird, auszuſchießen und beyſeit
zu thun.

Solchergeſtalt philoſophirt’ ich mir aus
dem Mann vor’m Ofen ein Dichtergenie
’raus, daß ich gleich ein juramentum cre-
dulitatis
drauf haͤtt’ ſchwoͤren wollen, daß
er eins ſey. Nur war die Frag, wie er
mit Namen heiße, damit ich wiſſen moͤcht’,
in welche poetiſche Atmoſphaͤre der Zufall
mich heut gewaͤlzt haͤtt. Jch beſah meinen
Mann von Kopf zum Fuß, bemerkt, daß
er einen rothen Pluͤſchſammtnen Rock trug;
obs gleich ſo ſchwuͤl Wetter war, daß eine
Ananas unter freyem Himmel haͤtt reifen
moͤgen, dabey hatt’ er eine lederfarbene
Weſt’ und Unterkleider. Jn dieſer Tracht
waͤr er nun wohl an keinem Hof in Deutſch-
land Aſſambleefaͤhig geweſen, wenns auch
gleich mit der Ahnentafel ſeine gute Rich-

tig-
D 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0057" n="57"/>
&#x017F;chalen, du&#x0364;nnen, und Spitzko&#x0364;pf, die durch-<lb/>
&#x017F;chlu&#x0364;pfen, und an denen man jezt zur Zeit<lb/>
&#x017F;o leicht irr wird, auszu&#x017F;chießen und bey&#x017F;eit<lb/>
zu thun.</p><lb/>
        <p>Solcherge&#x017F;talt philo&#x017F;ophirt&#x2019; ich mir aus<lb/>
dem Mann vor&#x2019;m Ofen ein Dichtergenie<lb/>
&#x2019;raus, daß ich gleich ein <hi rendition="#aq">juramentum cre-<lb/>
dulitatis</hi> drauf ha&#x0364;tt&#x2019; &#x017F;chwo&#x0364;ren wollen, daß<lb/>
er eins &#x017F;ey. Nur war die Frag, wie er<lb/>
mit Namen heiße, damit ich wi&#x017F;&#x017F;en mo&#x0364;cht&#x2019;,<lb/>
in welche poeti&#x017F;che Atmo&#x017F;pha&#x0364;re der Zufall<lb/>
mich heut gewa&#x0364;lzt ha&#x0364;tt. Jch be&#x017F;ah meinen<lb/>
Mann von Kopf zum Fuß, bemerkt, daß<lb/>
er einen rothen Plu&#x0364;&#x017F;ch&#x017F;ammtnen Rock trug;<lb/>
obs gleich &#x017F;o &#x017F;chwu&#x0364;l Wetter war, daß eine<lb/>
Ananas unter freyem Himmel ha&#x0364;tt reifen<lb/>
mo&#x0364;gen, dabey hatt&#x2019; er eine lederfarbene<lb/>
We&#x017F;t&#x2019; und Unterkleider. Jn die&#x017F;er Tracht<lb/>
wa&#x0364;r er nun wohl an keinem Hof in Deut&#x017F;ch-<lb/>
land A&#x017F;&#x017F;ambleefa&#x0364;hig gewe&#x017F;en, wenns auch<lb/>
gleich mit der Ahnentafel &#x017F;eine gute Rich-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">D 5</fw><fw place="bottom" type="catch">tig-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[57/0057] ſchalen, duͤnnen, und Spitzkoͤpf, die durch- ſchluͤpfen, und an denen man jezt zur Zeit ſo leicht irr wird, auszuſchießen und beyſeit zu thun. Solchergeſtalt philoſophirt’ ich mir aus dem Mann vor’m Ofen ein Dichtergenie ’raus, daß ich gleich ein juramentum cre- dulitatis drauf haͤtt’ ſchwoͤren wollen, daß er eins ſey. Nur war die Frag, wie er mit Namen heiße, damit ich wiſſen moͤcht’, in welche poetiſche Atmoſphaͤre der Zufall mich heut gewaͤlzt haͤtt. Jch beſah meinen Mann von Kopf zum Fuß, bemerkt, daß er einen rothen Pluͤſchſammtnen Rock trug; obs gleich ſo ſchwuͤl Wetter war, daß eine Ananas unter freyem Himmel haͤtt reifen moͤgen, dabey hatt’ er eine lederfarbene Weſt’ und Unterkleider. Jn dieſer Tracht waͤr er nun wohl an keinem Hof in Deutſch- land Aſſambleefaͤhig geweſen, wenns auch gleich mit der Ahnentafel ſeine gute Rich- tig- D 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen02_1778
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen02_1778/57
Zitationshilfe: Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 2. Altenburg, 1778, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen02_1778/57>, abgerufen am 17.05.2024.