Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 2. Altenburg, 1778.

Bild:
<< vorherige Seite

gestellt werden, ein Kloak auszutragen,
welches einige Handwerker und Zünftler für
unehrliche Handthierung halten. -- Aber
ich begreifs doch wahrlich nicht, wie meine
Augen einen solchen Fehl gebehren konnten.
Auf Ehr und Gewissen, ich vermeint in
Jhnen einen großen berühmten Dichter vor
mir zu sehen!

"Was bewegte Sie, das zu glauben?"

Drey Ding, erstlich Jhre Physiognomie,
die nach allen Regeln der untrüglichen Kunst
reiner Buchstab einer himmelanschwebenden
poetisirenden Seel ist. Zum andern ge-
wisse Aeusserlichkeiten, die auffallend sind,
und dem körperlichen Ausdruck eines Dich-
ters vollkommen entsprechen, vornemlich
Jhre lyrische Kleidung. Endlich Mienen,
Blicke und Bewegungen, aus welchen vor-
hin, als Sie vorm Ofen stunden, meiner
Empfindung nach das Gefühl hervorstrahlt':
ich bin 'n großer Mann, hab' durch mein

Mei-

geſtellt werden, ein Kloak auszutragen,
welches einige Handwerker und Zuͤnftler fuͤr
unehrliche Handthierung halten. — Aber
ich begreifs doch wahrlich nicht, wie meine
Augen einen ſolchen Fehl gebehren konnten.
Auf Ehr und Gewiſſen, ich vermeint in
Jhnen einen großen beruͤhmten Dichter vor
mir zu ſehen!

„Was bewegte Sie, das zu glauben?„

Drey Ding, erſtlich Jhre Phyſiognomie,
die nach allen Regeln der untruͤglichen Kunſt
reiner Buchſtab einer himmelanſchwebenden
poetiſirenden Seel iſt. Zum andern ge-
wiſſe Aeuſſerlichkeiten, die auffallend ſind,
und dem koͤrperlichen Ausdruck eines Dich-
ters vollkommen entſprechen, vornemlich
Jhre lyriſche Kleidung. Endlich Mienen,
Blicke und Bewegungen, aus welchen vor-
hin, als Sie vorm Ofen ſtunden, meiner
Empfindung nach das Gefuͤhl hervorſtrahlt’:
ich bin ’n großer Mann, hab’ durch mein

Mei-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0064" n="64"/>
ge&#x017F;tellt werden, ein Kloak auszutragen,<lb/>
welches einige Handwerker und Zu&#x0364;nftler fu&#x0364;r<lb/>
unehrliche Handthierung halten. &#x2014; Aber<lb/>
ich begreifs doch wahrlich nicht, wie meine<lb/>
Augen einen &#x017F;olchen Fehl gebehren konnten.<lb/>
Auf Ehr und Gewi&#x017F;&#x017F;en, ich vermeint in<lb/>
Jhnen einen großen beru&#x0364;hmten Dichter vor<lb/>
mir zu &#x017F;ehen!</p><lb/>
        <p>&#x201E;Was bewegte Sie, das zu glauben?&#x201E;</p><lb/>
        <p>Drey Ding, er&#x017F;tlich Jhre Phy&#x017F;iognomie,<lb/>
die nach allen Regeln der untru&#x0364;glichen Kun&#x017F;t<lb/>
reiner Buch&#x017F;tab einer himmelan&#x017F;chwebenden<lb/>
poeti&#x017F;irenden Seel i&#x017F;t. Zum andern ge-<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;e Aeu&#x017F;&#x017F;erlichkeiten, die auffallend &#x017F;ind,<lb/>
und dem ko&#x0364;rperlichen Ausdruck eines Dich-<lb/>
ters vollkommen ent&#x017F;prechen, vornemlich<lb/>
Jhre lyri&#x017F;che Kleidung. Endlich Mienen,<lb/>
Blicke und Bewegungen, aus welchen vor-<lb/>
hin, als Sie vorm Ofen &#x017F;tunden, meiner<lb/>
Empfindung nach das Gefu&#x0364;hl hervor&#x017F;trahlt&#x2019;:<lb/>
ich bin &#x2019;n großer Mann, hab&#x2019; durch mein<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Mei-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[64/0064] geſtellt werden, ein Kloak auszutragen, welches einige Handwerker und Zuͤnftler fuͤr unehrliche Handthierung halten. — Aber ich begreifs doch wahrlich nicht, wie meine Augen einen ſolchen Fehl gebehren konnten. Auf Ehr und Gewiſſen, ich vermeint in Jhnen einen großen beruͤhmten Dichter vor mir zu ſehen! „Was bewegte Sie, das zu glauben?„ Drey Ding, erſtlich Jhre Phyſiognomie, die nach allen Regeln der untruͤglichen Kunſt reiner Buchſtab einer himmelanſchwebenden poetiſirenden Seel iſt. Zum andern ge- wiſſe Aeuſſerlichkeiten, die auffallend ſind, und dem koͤrperlichen Ausdruck eines Dich- ters vollkommen entſprechen, vornemlich Jhre lyriſche Kleidung. Endlich Mienen, Blicke und Bewegungen, aus welchen vor- hin, als Sie vorm Ofen ſtunden, meiner Empfindung nach das Gefuͤhl hervorſtrahlt’: ich bin ’n großer Mann, hab’ durch mein Mei-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen02_1778
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen02_1778/64
Zitationshilfe: Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 2. Altenburg, 1778, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen02_1778/64>, abgerufen am 21.05.2024.