Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 2. Altenburg, 1778.

Bild:
<< vorherige Seite

ten Republik für den Consul angesehen,
welches einem an einen fremden Ort wohl
begegnen kann, wie mein Jrrthum, ob-
schon Jrrthum, dennoch vernünftigen Grund
hab, und mithin philosophische, nicht
schwärmerische Phantasey ist. Jch bekenn'
und leugne nicht, daß der edelgedrängte
Jüngling, der sich für Klopstocks Schoß-
jünger ausgiebt, und all' die Partikularia,
die er von seinem Lehrprinz in Erfahrung
gebracht hatt', aus Herzensdrang gegen die
vier Winde des Himmels ausgeposaunt,
mich zu dem Wahn verleitet hat, ich könn
hier das Original des Fragments mit Hän-
den greifen. Denn da mir mein Gefühls-
blick sagte, der Herr sey ein Dichter, wor-
inn ich gleichwol recht geurtheilt hab, und
nun weiter frug: welcher? So fielen mir
zwey so individuelle Umständ' in die Augen,
wodurch der Biograph seinen Helden charak-
terisirt, daß ein ganz unphysiognomischer

Kopf
E 4

ten Republik fuͤr den Conſul angeſehen,
welches einem an einen fremden Ort wohl
begegnen kann, wie mein Jrrthum, ob-
ſchon Jrrthum, dennoch vernuͤnftigen Grund
hab, und mithin philoſophiſche, nicht
ſchwaͤrmeriſche Phantaſey iſt. Jch bekenn’
und leugne nicht, daß der edelgedraͤngte
Juͤngling, der ſich fuͤr Klopſtocks Schoß-
juͤnger ausgiebt, und all’ die Partikularia,
die er von ſeinem Lehrprinz in Erfahrung
gebracht hatt’, aus Herzensdrang gegen die
vier Winde des Himmels ausgepoſaunt,
mich zu dem Wahn verleitet hat, ich koͤnn
hier das Original des Fragments mit Haͤn-
den greifen. Denn da mir mein Gefuͤhls-
blick ſagte, der Herr ſey ein Dichter, wor-
inn ich gleichwol recht geurtheilt hab, und
nun weiter frug: welcher? So fielen mir
zwey ſo individuelle Umſtaͤnd’ in die Augen,
wodurch der Biograph ſeinen Helden charak-
teriſirt, daß ein ganz unphyſiognomiſcher

Kopf
E 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0071" n="71"/>
ten Republik fu&#x0364;r den Con&#x017F;ul ange&#x017F;ehen,<lb/>
welches einem an einen fremden Ort wohl<lb/>
begegnen kann, wie mein Jrrthum, ob-<lb/>
&#x017F;chon Jrrthum, dennoch vernu&#x0364;nftigen Grund<lb/>
hab, und mithin philo&#x017F;ophi&#x017F;che, nicht<lb/>
&#x017F;chwa&#x0364;rmeri&#x017F;che Phanta&#x017F;ey i&#x017F;t. Jch bekenn&#x2019;<lb/>
und leugne nicht, daß der edelgedra&#x0364;ngte<lb/>
Ju&#x0364;ngling, der &#x017F;ich fu&#x0364;r Klop&#x017F;tocks Schoß-<lb/>
ju&#x0364;nger ausgiebt, und all&#x2019; die Partikularia,<lb/>
die er von &#x017F;einem Lehrprinz in Erfahrung<lb/>
gebracht hatt&#x2019;, aus Herzensdrang gegen die<lb/>
vier Winde des Himmels ausgepo&#x017F;aunt,<lb/>
mich zu dem Wahn verleitet hat, ich ko&#x0364;nn<lb/>
hier das Original des Fragments mit Ha&#x0364;n-<lb/>
den greifen. Denn da mir mein Gefu&#x0364;hls-<lb/>
blick &#x017F;agte, der Herr &#x017F;ey ein Dichter, wor-<lb/>
inn ich gleichwol recht geurtheilt hab, und<lb/>
nun weiter frug: welcher? So fielen mir<lb/>
zwey &#x017F;o individuelle Um&#x017F;ta&#x0364;nd&#x2019; in die Augen,<lb/>
wodurch der Biograph &#x017F;einen Helden charak-<lb/>
teri&#x017F;irt, daß ein ganz unphy&#x017F;iognomi&#x017F;cher<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">E 4</fw><fw place="bottom" type="catch">Kopf</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[71/0071] ten Republik fuͤr den Conſul angeſehen, welches einem an einen fremden Ort wohl begegnen kann, wie mein Jrrthum, ob- ſchon Jrrthum, dennoch vernuͤnftigen Grund hab, und mithin philoſophiſche, nicht ſchwaͤrmeriſche Phantaſey iſt. Jch bekenn’ und leugne nicht, daß der edelgedraͤngte Juͤngling, der ſich fuͤr Klopſtocks Schoß- juͤnger ausgiebt, und all’ die Partikularia, die er von ſeinem Lehrprinz in Erfahrung gebracht hatt’, aus Herzensdrang gegen die vier Winde des Himmels ausgepoſaunt, mich zu dem Wahn verleitet hat, ich koͤnn hier das Original des Fragments mit Haͤn- den greifen. Denn da mir mein Gefuͤhls- blick ſagte, der Herr ſey ein Dichter, wor- inn ich gleichwol recht geurtheilt hab, und nun weiter frug: welcher? So fielen mir zwey ſo individuelle Umſtaͤnd’ in die Augen, wodurch der Biograph ſeinen Helden charak- teriſirt, daß ein ganz unphyſiognomiſcher Kopf E 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen02_1778
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen02_1778/71
Zitationshilfe: Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 2. Altenburg, 1778, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen02_1778/71>, abgerufen am 04.12.2024.