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Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 3. Altenburg, 1779.

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der ersten Entree; denn hinterher haben
all diese papiernen Garands, der Ehr und
Würde eines Menschen, auch ihre Meriten.

Wie nun eine Jdee immer die andere ge-
biehrt, und die Gedanken im Kopf sich
eben so aneinander reihen, wie die unend-
lichen Gelenke des Bandwurms im Einge-
weid; da immer eins aus dem andern
kommt, iedes für sich Leben und Bewegung
hat, und alle zusammen gleichwohl ein
Ganzes ausmachen: so gings auch diesmal
mit meiner Abendbetrachtung. Von der
äusern physischen Hülse der Kleidung, die
den Werth und auch den Unwerth der Men-
schen so geschickt verbirgt, daß manch phy-
siognomisch Auge dadurch getäuscht wird,
und manch physiognomisch Urthel daran
strauchelt, verfiel ich unversehens auf die
allegorische Manteltracht, die bey verschie-
denen Gelegenheiten dem Jncognito gleich-
falls gar förderlich ist. War vor Zeiten

einmal

der erſten Entree; denn hinterher haben
all dieſe papiernen Garands, der Ehr und
Wuͤrde eines Menſchen, auch ihre Meriten.

Wie nun eine Jdee immer die andere ge-
biehrt, und die Gedanken im Kopf ſich
eben ſo aneinander reihen, wie die unend-
lichen Gelenke des Bandwurms im Einge-
weid; da immer eins aus dem andern
kommt, iedes fuͤr ſich Leben und Bewegung
hat, und alle zuſammen gleichwohl ein
Ganzes ausmachen: ſo gings auch diesmal
mit meiner Abendbetrachtung. Von der
aͤuſern phyſiſchen Huͤlſe der Kleidung, die
den Werth und auch den Unwerth der Men-
ſchen ſo geſchickt verbirgt, daß manch phy-
ſiognomiſch Auge dadurch getaͤuſcht wird,
und manch phyſiognomiſch Urthel daran
ſtrauchelt, verfiel ich unverſehens auf die
allegoriſche Manteltracht, die bey verſchie-
denen Gelegenheiten dem Jncognito gleich-
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[178/0178] der erſten Entree; denn hinterher haben all dieſe papiernen Garands, der Ehr und Wuͤrde eines Menſchen, auch ihre Meriten. Wie nun eine Jdee immer die andere ge- biehrt, und die Gedanken im Kopf ſich eben ſo aneinander reihen, wie die unend- lichen Gelenke des Bandwurms im Einge- weid; da immer eins aus dem andern kommt, iedes fuͤr ſich Leben und Bewegung hat, und alle zuſammen gleichwohl ein Ganzes ausmachen: ſo gings auch diesmal mit meiner Abendbetrachtung. Von der aͤuſern phyſiſchen Huͤlſe der Kleidung, die den Werth und auch den Unwerth der Men- ſchen ſo geſchickt verbirgt, daß manch phy- ſiognomiſch Auge dadurch getaͤuſcht wird, und manch phyſiognomiſch Urthel daran ſtrauchelt, verfiel ich unverſehens auf die allegoriſche Manteltracht, die bey verſchie- denen Gelegenheiten dem Jncognito gleich- falls gar foͤrderlich iſt. War vor Zeiten einmal

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Zitationshilfe: Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 3. Altenburg, 1779, S. 178. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen03_1779/178>, abgerufen am 18.05.2024.