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Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 3. Altenburg, 1779.

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Unter allen Mänteln ist indessen keiner
bequemer für die Herren, als der Mantel
der Anonymität, da mags regnen und ha-
geln so viel es immer will, mögen alle zwey
und dreißig Winde sausen, unter dieser dich-
ten Filzschaube kan ieder seinen Weg geru-
hig fortsetzen, dringt weder Wind noch Re-
gen ein; nur die lieblichen Sonnenstrahlen
pflegen manchem Wandrer dieselbe abzukom-
plimentiren. Darum ist der anonymische
Mantel in unsern Tagen die gemeinste Mo-
detracht der Skribenten, die sich bey den
schnellen Abwechselungen der Witterung
darunter wohl seyn lassen. Verdrießen aber
darfs Keinen, wenn er bey diesem strengen
Jncognito, nicht iederzeit nach Stand und
Würden bedient wird, wie mir in Gerolds-
heim wiederfuhr, als ich mich dicht in mei-
nen Oberrock hinein geknüpft hatte; oder
wenn einen sein Weg vor einem Dorfe vor-
bey trägt, wo die muthwillige Jugend eben

Plumb-

Unter allen Maͤnteln iſt indeſſen keiner
bequemer fuͤr die Herren, als der Mantel
der Anonymitaͤt, da mags regnen und ha-
geln ſo viel es immer will, moͤgen alle zwey
und dreißig Winde ſauſen, unter dieſer dich-
ten Filzſchaube kan ieder ſeinen Weg geru-
hig fortſetzen, dringt weder Wind noch Re-
gen ein; nur die lieblichen Sonnenſtrahlen
pflegen manchem Wandrer dieſelbe abzukom-
plimentiren. Darum iſt der anonymiſche
Mantel in unſern Tagen die gemeinſte Mo-
detracht der Skribenten, die ſich bey den
ſchnellen Abwechſelungen der Witterung
darunter wohl ſeyn laſſen. Verdrießen aber
darfs Keinen, wenn er bey dieſem ſtrengen
Jncognito, nicht iederzeit nach Stand und
Wuͤrden bedient wird, wie mir in Gerolds-
heim wiederfuhr, als ich mich dicht in mei-
nen Oberrock hinein geknuͤpft hatte; oder
wenn einen ſein Weg vor einem Dorfe vor-
bey traͤgt, wo die muthwillige Jugend eben

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[180/0180] Unter allen Maͤnteln iſt indeſſen keiner bequemer fuͤr die Herren, als der Mantel der Anonymitaͤt, da mags regnen und ha- geln ſo viel es immer will, moͤgen alle zwey und dreißig Winde ſauſen, unter dieſer dich- ten Filzſchaube kan ieder ſeinen Weg geru- hig fortſetzen, dringt weder Wind noch Re- gen ein; nur die lieblichen Sonnenſtrahlen pflegen manchem Wandrer dieſelbe abzukom- plimentiren. Darum iſt der anonymiſche Mantel in unſern Tagen die gemeinſte Mo- detracht der Skribenten, die ſich bey den ſchnellen Abwechſelungen der Witterung darunter wohl ſeyn laſſen. Verdrießen aber darfs Keinen, wenn er bey dieſem ſtrengen Jncognito, nicht iederzeit nach Stand und Wuͤrden bedient wird, wie mir in Gerolds- heim wiederfuhr, als ich mich dicht in mei- nen Oberrock hinein geknuͤpft hatte; oder wenn einen ſein Weg vor einem Dorfe vor- bey traͤgt, wo die muthwillige Jugend eben Plumb-

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Zitationshilfe: Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 3. Altenburg, 1779, S. 180. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen03_1779/180>, abgerufen am 18.05.2024.