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Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 3. Altenburg, 1779.

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decken. -- Und sollte Jhnen wohl bey die-
ser glücklichen Physiognomie, gemacht die
Mädchen zu bethören, ein Giftmischer ein-
fallen? Ein schändlicher Egoist, der zu Be-
friedigung seiner Selbstheit keinen Augen-
blick Bedenken fand, eins seiner Mitge-
schöpfe, das er so rein und unbefleckt em-
pfing, wie es aus der Hand Gottes kom-
men war, durch Skorpionen Gift zu zer-
stöhren? Warlich! dieser Jüngling hat viel
Brüder, die als Unreine ins Heiligthum
eingehen, und es profaniren.

Es kan Jhnen nicht unbekannt seyn, daß
das Silhouettiren lang vorher eine Mode-
tändeley war, ehe man etwas von Physio-
gnomik wähnte, der Tod einiger Personen,
die ich für gute Menschen hielt, und die
sich unvermerkt aus der Gesellschaft verloh-
ren, ohne das geringste Merkzeichen ihrer
Persönlichkeit zu hinterlassen, brachte mich
darauf, diese mit so weniger Umständlich-

keit
D 4

decken. — Und ſollte Jhnen wohl bey die-
ſer gluͤcklichen Phyſiognomie, gemacht die
Maͤdchen zu bethoͤren, ein Giftmiſcher ein-
fallen? Ein ſchaͤndlicher Egoiſt, der zu Be-
friedigung ſeiner Selbſtheit keinen Augen-
blick Bedenken fand, eins ſeiner Mitge-
ſchoͤpfe, das er ſo rein und unbefleckt em-
pfing, wie es aus der Hand Gottes kom-
men war, durch Skorpionen Gift zu zer-
ſtoͤhren? Warlich! dieſer Juͤngling hat viel
Bruͤder, die als Unreine ins Heiligthum
eingehen, und es profaniren.

Es kan Jhnen nicht unbekannt ſeyn, daß
das Silhouettiren lang vorher eine Mode-
taͤndeley war, ehe man etwas von Phyſio-
gnomik waͤhnte, der Tod einiger Perſonen,
die ich fuͤr gute Menſchen hielt, und die
ſich unvermerkt aus der Geſellſchaft verloh-
ren, ohne das geringſte Merkzeichen ihrer
Perſoͤnlichkeit zu hinterlaſſen, brachte mich
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[55/0055] decken. — Und ſollte Jhnen wohl bey die- ſer gluͤcklichen Phyſiognomie, gemacht die Maͤdchen zu bethoͤren, ein Giftmiſcher ein- fallen? Ein ſchaͤndlicher Egoiſt, der zu Be- friedigung ſeiner Selbſtheit keinen Augen- blick Bedenken fand, eins ſeiner Mitge- ſchoͤpfe, das er ſo rein und unbefleckt em- pfing, wie es aus der Hand Gottes kom- men war, durch Skorpionen Gift zu zer- ſtoͤhren? Warlich! dieſer Juͤngling hat viel Bruͤder, die als Unreine ins Heiligthum eingehen, und es profaniren. Es kan Jhnen nicht unbekannt ſeyn, daß das Silhouettiren lang vorher eine Mode- taͤndeley war, ehe man etwas von Phyſio- gnomik waͤhnte, der Tod einiger Perſonen, die ich fuͤr gute Menſchen hielt, und die ſich unvermerkt aus der Geſellſchaft verloh- ren, ohne das geringſte Merkzeichen ihrer Perſoͤnlichkeit zu hinterlaſſen, brachte mich darauf, dieſe mit ſo weniger Umſtaͤndlich- keit D 4

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Zitationshilfe: Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 3. Altenburg, 1779, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen03_1779/55>, abgerufen am 24.11.2024.