Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 4. Altenburg, 1779.

Bild:
<< vorherige Seite

Kriege unter einem fränkischen Kontingent
ein Geschwader Reuter kommandiret, nach-
her quittiret und sich als charakterisirter
Obrister auf sein Gut in Ruhe gesetzt. Sei-
ner Gestalt nach glich er dem Ugolino, wie
solcher in den Fragmenten gekratzt ist. Eben
so einfach verschlossen in sich selbst, auch so
unsanguinisch trocken. Jm Alphabet der
Menschheit möcht' er sich mit dem dürrlei-
bigen, langbeinigen ss vergleichen lassen:
denn er war so schmächtig, und so wenig
bewadet als Aristoteles. Seine Gemahlin
paßte zu ihm wie das ß, obgleich der Be-
amte Spörtler diesen Vergleich, als ich ihm
solchen mittheilte, nicht goutiren wollte,
weil sein Kollege, der Beamte Bürger das
ß höchst albern gefunden, er aber die Frau
von Urlau nichts weniger als albern fand.
Jch belehrt' ihm aber, daß der Vergleich
nicht auf diese Eigenschaft des ß gemeynet
sey, sondern auf eine andere, die Freund

Bürger
A 4

Kriege unter einem fraͤnkiſchen Kontingent
ein Geſchwader Reuter kommandiret, nach-
her quittiret und ſich als charakteriſirter
Obriſter auf ſein Gut in Ruhe geſetzt. Sei-
ner Geſtalt nach glich er dem Ugolino, wie
ſolcher in den Fragmenten gekratzt iſt. Eben
ſo einfach verſchloſſen in ſich ſelbſt, auch ſo
unſanguiniſch trocken. Jm Alphabet der
Menſchheit moͤcht’ er ſich mit dem duͤrrlei-
bigen, langbeinigen ſſ vergleichen laſſen:
denn er war ſo ſchmaͤchtig, und ſo wenig
bewadet als Ariſtoteles. Seine Gemahlin
paßte zu ihm wie das ß, obgleich der Be-
amte Spoͤrtler dieſen Vergleich, als ich ihm
ſolchen mittheilte, nicht goutiren wollte,
weil ſein Kollege, der Beamte Buͤrger das
ß hoͤchſt albern gefunden, er aber die Frau
von Urlau nichts weniger als albern fand.
Jch belehrt’ ihm aber, daß der Vergleich
nicht auf dieſe Eigenſchaft des ß gemeynet
ſey, ſondern auf eine andere, die Freund

Buͤrger
A 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0015" n="7"/>
Kriege unter einem fra&#x0364;nki&#x017F;chen Kontingent<lb/>
ein Ge&#x017F;chwader Reuter kommandiret, nach-<lb/>
her quittiret und &#x017F;ich als charakteri&#x017F;irter<lb/>
Obri&#x017F;ter auf &#x017F;ein Gut in Ruhe ge&#x017F;etzt. Sei-<lb/>
ner Ge&#x017F;talt nach glich er dem Ugolino, wie<lb/>
&#x017F;olcher in den Fragmenten gekratzt i&#x017F;t. Eben<lb/>
&#x017F;o einfach ver&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en in &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t, auch &#x017F;o<lb/>
un&#x017F;anguini&#x017F;ch trocken. Jm Alphabet der<lb/>
Men&#x017F;chheit mo&#x0364;cht&#x2019; er &#x017F;ich mit dem du&#x0364;rrlei-<lb/>
bigen, langbeinigen &#x017F;&#x017F; vergleichen la&#x017F;&#x017F;en:<lb/>
denn er war &#x017F;o &#x017F;chma&#x0364;chtig, und &#x017F;o wenig<lb/>
bewadet als Ari&#x017F;toteles. Seine Gemahlin<lb/>
paßte zu ihm wie das ß, obgleich der Be-<lb/>
amte Spo&#x0364;rtler die&#x017F;en Vergleich, als ich ihm<lb/>
&#x017F;olchen mittheilte, nicht goutiren wollte,<lb/>
weil &#x017F;ein Kollege, der Beamte Bu&#x0364;rger das<lb/>
ß ho&#x0364;ch&#x017F;t albern gefunden, er aber die Frau<lb/>
von Urlau nichts weniger als albern fand.<lb/>
Jch belehrt&#x2019; ihm aber, daß der Vergleich<lb/>
nicht auf die&#x017F;e Eigen&#x017F;chaft des ß gemeynet<lb/>
&#x017F;ey, &#x017F;ondern auf eine andere, die Freund<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">A 4</fw><fw place="bottom" type="catch">Bu&#x0364;rger</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[7/0015] Kriege unter einem fraͤnkiſchen Kontingent ein Geſchwader Reuter kommandiret, nach- her quittiret und ſich als charakteriſirter Obriſter auf ſein Gut in Ruhe geſetzt. Sei- ner Geſtalt nach glich er dem Ugolino, wie ſolcher in den Fragmenten gekratzt iſt. Eben ſo einfach verſchloſſen in ſich ſelbſt, auch ſo unſanguiniſch trocken. Jm Alphabet der Menſchheit moͤcht’ er ſich mit dem duͤrrlei- bigen, langbeinigen ſſ vergleichen laſſen: denn er war ſo ſchmaͤchtig, und ſo wenig bewadet als Ariſtoteles. Seine Gemahlin paßte zu ihm wie das ß, obgleich der Be- amte Spoͤrtler dieſen Vergleich, als ich ihm ſolchen mittheilte, nicht goutiren wollte, weil ſein Kollege, der Beamte Buͤrger das ß hoͤchſt albern gefunden, er aber die Frau von Urlau nichts weniger als albern fand. Jch belehrt’ ihm aber, daß der Vergleich nicht auf dieſe Eigenſchaft des ß gemeynet ſey, ſondern auf eine andere, die Freund Buͤrger A 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen04_1779
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen04_1779/15
Zitationshilfe: Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 4. Altenburg, 1779, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen04_1779/15>, abgerufen am 22.12.2024.