Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 4. Altenburg, 1779.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

harmoniren damit wunderbar. Drum
konnts auch die Mutter aller Lebendigen so
gut in der Schlangengesellschaft aushalten,
welches bey erweisbarer Heterogenität ihres
und des Schlangenantlizes, unmöglich ge-
wesen wär. So trugloß, aufrichtig, engel-
rein, die iungen lieblichen Dirnen von aus-
sen anzuschauen sind, daß ihr Anblick un-
widerstehlich Herzen zu Herzen reißt: so hat
iede, auf gewisse Art dennoch den Schelm
im Nacken. -- Also hat Lottchen mich
doch bezogen, ungeachtet ich einen Eid drauf
abgelegt hätte, Schlauigkeit und List wär
nicht in ihrem Charakter!! Wollt einen
meiner drey Schreibfinger drum geben, daß
ich meinen Nachtrapport noch in meiner
Brieftasche hätt. Auf die Menschenkunde
würd ich schwerlich meinen Broderwerb fin-
den, und bey Freund Spörtlern, fürcht ich,
um all meine physiognomische Reputation
zu kommen.

Jch

harmoniren damit wunderbar. Drum
konnts auch die Mutter aller Lebendigen ſo
gut in der Schlangengeſellſchaft aushalten,
welches bey erweisbarer Heterogenitaͤt ihres
und des Schlangenantlizes, unmoͤglich ge-
weſen waͤr. So trugloß, aufrichtig, engel-
rein, die iungen lieblichen Dirnen von auſ-
ſen anzuſchauen ſind, daß ihr Anblick un-
widerſtehlich Herzen zu Herzen reißt: ſo hat
iede, auf gewiſſe Art dennoch den Schelm
im Nacken. — Alſo hat Lottchen mich
doch bezogen, ungeachtet ich einen Eid drauf
abgelegt haͤtte, Schlauigkeit und Liſt waͤr
nicht in ihrem Charakter!! Wollt einen
meiner drey Schreibfinger drum geben, daß
ich meinen Nachtrapport noch in meiner
Brieftaſche haͤtt. Auf die Menſchenkunde
wuͤrd ich ſchwerlich meinen Broderwerb fin-
den, und bey Freund Spoͤrtlern, fuͤrcht ich,
um all meine phyſiognomiſche Reputation
zu kommen.

Jch
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0227" n="219"/>
harmoniren damit wunderbar. Drum<lb/>
konnts auch die Mutter aller Lebendigen &#x017F;o<lb/>
gut in der Schlangenge&#x017F;ell&#x017F;chaft aushalten,<lb/>
welches bey erweisbarer Heterogenita&#x0364;t ihres<lb/>
und des Schlangenantlizes, unmo&#x0364;glich ge-<lb/>
we&#x017F;en wa&#x0364;r. So trugloß, aufrichtig, engel-<lb/>
rein, die iungen lieblichen Dirnen von au&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en anzu&#x017F;chauen &#x017F;ind, daß ihr Anblick un-<lb/>
wider&#x017F;tehlich Herzen zu Herzen reißt: &#x017F;o hat<lb/>
iede, auf gewi&#x017F;&#x017F;e Art dennoch den Schelm<lb/>
im Nacken. &#x2014; Al&#x017F;o hat Lottchen mich<lb/>
doch bezogen, ungeachtet ich einen Eid drauf<lb/>
abgelegt ha&#x0364;tte, Schlauigkeit und Li&#x017F;t wa&#x0364;r<lb/>
nicht in ihrem Charakter!! Wollt einen<lb/>
meiner drey Schreibfinger drum geben, daß<lb/>
ich meinen Nachtrapport noch in meiner<lb/>
Briefta&#x017F;che ha&#x0364;tt. Auf die Men&#x017F;chenkunde<lb/>
wu&#x0364;rd ich &#x017F;chwerlich meinen Broderwerb fin-<lb/>
den, und bey Freund Spo&#x0364;rtlern, fu&#x0364;rcht ich,<lb/>
um all meine phy&#x017F;iognomi&#x017F;che Reputation<lb/>
zu kommen.</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Jch</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[219/0227] harmoniren damit wunderbar. Drum konnts auch die Mutter aller Lebendigen ſo gut in der Schlangengeſellſchaft aushalten, welches bey erweisbarer Heterogenitaͤt ihres und des Schlangenantlizes, unmoͤglich ge- weſen waͤr. So trugloß, aufrichtig, engel- rein, die iungen lieblichen Dirnen von auſ- ſen anzuſchauen ſind, daß ihr Anblick un- widerſtehlich Herzen zu Herzen reißt: ſo hat iede, auf gewiſſe Art dennoch den Schelm im Nacken. — Alſo hat Lottchen mich doch bezogen, ungeachtet ich einen Eid drauf abgelegt haͤtte, Schlauigkeit und Liſt waͤr nicht in ihrem Charakter!! Wollt einen meiner drey Schreibfinger drum geben, daß ich meinen Nachtrapport noch in meiner Brieftaſche haͤtt. Auf die Menſchenkunde wuͤrd ich ſchwerlich meinen Broderwerb fin- den, und bey Freund Spoͤrtlern, fuͤrcht ich, um all meine phyſiognomiſche Reputation zu kommen. Jch

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen04_1779
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen04_1779/227
Zitationshilfe: Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 4. Altenburg, 1779, S. 219. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen04_1779/227>, abgerufen am 22.12.2024.