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Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 4. Altenburg, 1779.

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die Mutter mit Heurathsvorschlägen, die
sie perhorresciret. Was Wunder, wenn sie
bey diesen Zudringlichkeiten unter einem
Klosterdach Schutz sucht?

Jch. Wär denn aber der Günstling
Jhrer Donna keine Parthie für Lottchen?
Seine Physiognomie ist doch sehr empfeh-
lend, er hat ein feines verständiges Gesicht,
nicht der süßen Empfindeley, noch der kost-
baren Gefühlsprahlerey, ein wahrer, reiner,
naturvoller Charakter; ein Gesicht, das gar
nichts seichtes, welkes, wurmstichtiges hat,
ein Gesicht, mit dem sich wohl iedes Mäd-
chen alle Augenblicke verbrüdern und ver-
schwestern möchte, die es darf.

Er. Das alles, auch ein Mann der sein
bequemes Auskommen und dabey gute Aus-
sichten in die Zukunft hat; aber er ist nie
mein Held gewesen, das war Vetter Anton.

Jch. Ey nun, wenn er nur Lottchens
Schmetterling ist. Die Mädchen kümmern

sich
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die Mutter mit Heurathsvorſchlaͤgen, die
ſie perhorreſciret. Was Wunder, wenn ſie
bey dieſen Zudringlichkeiten unter einem
Kloſterdach Schutz ſucht?

Jch. Waͤr denn aber der Guͤnſtling
Jhrer Donna keine Parthie fuͤr Lottchen?
Seine Phyſiognomie iſt doch ſehr empfeh-
lend, er hat ein feines verſtaͤndiges Geſicht,
nicht der ſuͤßen Empfindeley, noch der koſt-
baren Gefuͤhlsprahlerey, ein wahrer, reiner,
naturvoller Charakter; ein Geſicht, das gar
nichts ſeichtes, welkes, wurmſtichtiges hat,
ein Geſicht, mit dem ſich wohl iedes Maͤd-
chen alle Augenblicke verbruͤdern und ver-
ſchweſtern moͤchte, die es darf.

Er. Das alles, auch ein Mann der ſein
bequemes Auskommen und dabey gute Aus-
ſichten in die Zukunft hat; aber er iſt nie
mein Held geweſen, das war Vetter Anton.

Jch. Ey nun, wenn er nur Lottchens
Schmetterling iſt. Die Maͤdchen kuͤmmern

ſich
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[227/0235] die Mutter mit Heurathsvorſchlaͤgen, die ſie perhorreſciret. Was Wunder, wenn ſie bey dieſen Zudringlichkeiten unter einem Kloſterdach Schutz ſucht? Jch. Waͤr denn aber der Guͤnſtling Jhrer Donna keine Parthie fuͤr Lottchen? Seine Phyſiognomie iſt doch ſehr empfeh- lend, er hat ein feines verſtaͤndiges Geſicht, nicht der ſuͤßen Empfindeley, noch der koſt- baren Gefuͤhlsprahlerey, ein wahrer, reiner, naturvoller Charakter; ein Geſicht, das gar nichts ſeichtes, welkes, wurmſtichtiges hat, ein Geſicht, mit dem ſich wohl iedes Maͤd- chen alle Augenblicke verbruͤdern und ver- ſchweſtern moͤchte, die es darf. Er. Das alles, auch ein Mann der ſein bequemes Auskommen und dabey gute Aus- ſichten in die Zukunft hat; aber er iſt nie mein Held geweſen, das war Vetter Anton. Jch. Ey nun, wenn er nur Lottchens Schmetterling iſt. Die Maͤdchen kuͤmmern ſich P 2

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Zitationshilfe: Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 4. Altenburg, 1779, S. 227. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen04_1779/235>, abgerufen am 18.05.2024.