daß ich diese Herberge nicht mit einem Pal- last vertausche hätte, hieß dem Philipp den Mantelsack abschnallen und sich mit den Pferden ein Quartier im Dorfe suchen. Die junge Frau war so ganz allein für ihren Mann geschäftig, daß sie es kaum zu bemerken schien, daß ihr trauter Va- lentin einen Gast mitgebracht hatte. Sie hing mit unverwandtem Gesicht an seinem Halse, und das Kind an seinen Knie stam- melte den süssen Vaternamen zu ihm hin- auf; er aber erwiederte diese Empfindun- gen mit so männlichen, treuherzigen und innigen Gegengefühl, daß mich der Anblick dieser Gruppe in himmlischer Entzücken hin- riß. Gesegnet sey mir die Stunde, redet' ich zu mir selbst, in welcher ich in diese Woh- nung eingegangen bin! Was ist aller Flit- terglanz von jedem Erdenglück, gegen das reine goldlautere Gefühl wechselseitiger Lie- be? Heil mir, ihr Lieblinge des Himmels,
daß
daß ich dieſe Herberge nicht mit einem Pal- laſt vertauſche haͤtte, hieß dem Philipp den Mantelſack abſchnallen und ſich mit den Pferden ein Quartier im Dorfe ſuchen. Die junge Frau war ſo ganz allein fuͤr ihren Mann geſchaͤftig, daß ſie es kaum zu bemerken ſchien, daß ihr trauter Va- lentin einen Gaſt mitgebracht hatte. Sie hing mit unverwandtem Geſicht an ſeinem Halſe, und das Kind an ſeinen Knie ſtam- melte den ſuͤſſen Vaternamen zu ihm hin- auf; er aber erwiederte dieſe Empfindun- gen mit ſo maͤnnlichen, treuherzigen und innigen Gegengefuͤhl, daß mich der Anblick dieſer Gruppe in himmliſcher Entzuͤcken hin- riß. Geſegnet ſey mir die Stunde, redet’ ich zu mir ſelbſt, in welcher ich in dieſe Woh- nung eingegangen bin! Was iſt aller Flit- terglanz von jedem Erdengluͤck, gegen das reine goldlautere Gefuͤhl wechſelſeitiger Lie- be? Heil mir, ihr Lieblinge des Himmels,
daß
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0280"n="272"/>
daß ich dieſe Herberge nicht mit einem Pal-<lb/>
laſt vertauſche haͤtte, hieß dem Philipp den<lb/>
Mantelſack abſchnallen und ſich mit den<lb/>
Pferden ein Quartier im Dorfe ſuchen.<lb/>
Die junge Frau war ſo ganz allein fuͤr<lb/>
ihren Mann geſchaͤftig, daß ſie es kaum<lb/>
zu bemerken ſchien, daß ihr trauter Va-<lb/>
lentin einen Gaſt mitgebracht hatte. Sie<lb/>
hing mit unverwandtem Geſicht an ſeinem<lb/>
Halſe, und das Kind an ſeinen Knie ſtam-<lb/>
melte den ſuͤſſen Vaternamen zu ihm hin-<lb/>
auf; er aber erwiederte dieſe Empfindun-<lb/>
gen mit ſo maͤnnlichen, treuherzigen und<lb/>
innigen Gegengefuͤhl, daß mich der Anblick<lb/>
dieſer Gruppe in himmliſcher Entzuͤcken hin-<lb/>
riß. Geſegnet ſey mir die Stunde, redet’<lb/>
ich zu mir ſelbſt, in welcher ich in dieſe Woh-<lb/>
nung eingegangen bin! Was iſt aller Flit-<lb/>
terglanz von jedem Erdengluͤck, gegen das<lb/>
reine goldlautere Gefuͤhl wechſelſeitiger Lie-<lb/>
be? Heil mir, ihr Lieblinge des Himmels,<lb/><fwplace="bottom"type="catch">daß</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[272/0280]
daß ich dieſe Herberge nicht mit einem Pal-
laſt vertauſche haͤtte, hieß dem Philipp den
Mantelſack abſchnallen und ſich mit den
Pferden ein Quartier im Dorfe ſuchen.
Die junge Frau war ſo ganz allein fuͤr
ihren Mann geſchaͤftig, daß ſie es kaum
zu bemerken ſchien, daß ihr trauter Va-
lentin einen Gaſt mitgebracht hatte. Sie
hing mit unverwandtem Geſicht an ſeinem
Halſe, und das Kind an ſeinen Knie ſtam-
melte den ſuͤſſen Vaternamen zu ihm hin-
auf; er aber erwiederte dieſe Empfindun-
gen mit ſo maͤnnlichen, treuherzigen und
innigen Gegengefuͤhl, daß mich der Anblick
dieſer Gruppe in himmliſcher Entzuͤcken hin-
riß. Geſegnet ſey mir die Stunde, redet’
ich zu mir ſelbſt, in welcher ich in dieſe Woh-
nung eingegangen bin! Was iſt aller Flit-
terglanz von jedem Erdengluͤck, gegen das
reine goldlautere Gefuͤhl wechſelſeitiger Lie-
be? Heil mir, ihr Lieblinge des Himmels,
daß
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 4. Altenburg, 1779, S. 272. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen04_1779/280>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.