Jch such ein Nachtquartier, sollt ichs wohl unter eurem Dache finden? Warum das nicht, lieber Herr? war seine Antwort, für Sie hab ich wohl Raum, nur nicht für Jhre Pferde. Die werden, sprach ich, schon unterkommen. Darauf folgt' ich ihm in ein kleines baufälliges Häuschen ganz am Ende des Dorfs. Als die Thür beym Anpochen aufgethan wurde, hüpft' ein junges Weib, vom besserm als bäueri- schen Ansehn dem Manne entgegen, lieb- koßt ihm, klopft' ihm die Backen, reicht ihm ein kleines lachendes Kind hin, das er mit Wonnegefühl an seinen Busen drück- te. Die beyden Eheleute hatten ausser die- sem Pfande der Liebe und einer anschmei- chelnden Katze, noch drey Hausgenossen um sich, die sonst selten beyeinander her- bergen, die Armuth, Reinlichkeit und Zu- friedenheit. Mir war beym ersten Ein- tritt ins Haus gleich so wohl ums Herz,
daß
Jch ſuch ein Nachtquartier, ſollt ichs wohl unter eurem Dache finden? Warum das nicht, lieber Herr? war ſeine Antwort, fuͤr Sie hab ich wohl Raum, nur nicht fuͤr Jhre Pferde. Die werden, ſprach ich, ſchon unterkommen. Darauf folgt’ ich ihm in ein kleines baufaͤlliges Haͤuschen ganz am Ende des Dorfs. Als die Thuͤr beym Anpochen aufgethan wurde, huͤpft’ ein junges Weib, vom beſſerm als baͤueri- ſchen Anſehn dem Manne entgegen, lieb- koßt ihm, klopft’ ihm die Backen, reicht ihm ein kleines lachendes Kind hin, das er mit Wonnegefuͤhl an ſeinen Buſen druͤck- te. Die beyden Eheleute hatten auſſer die- ſem Pfande der Liebe und einer anſchmei- chelnden Katze, noch drey Hausgenoſſen um ſich, die ſonſt ſelten beyeinander her- bergen, die Armuth, Reinlichkeit und Zu- friedenheit. Mir war beym erſten Ein- tritt ins Haus gleich ſo wohl ums Herz,
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Jch ſuch ein Nachtquartier, ſollt ichs wohl
unter eurem Dache finden? Warum das
nicht, lieber Herr? war ſeine Antwort,
fuͤr Sie hab ich wohl Raum, nur nicht
fuͤr Jhre Pferde. Die werden, ſprach ich,
ſchon unterkommen. Darauf folgt’ ich
ihm in ein kleines baufaͤlliges Haͤuschen
ganz am Ende des Dorfs. Als die Thuͤr
beym Anpochen aufgethan wurde, huͤpft’
ein junges Weib, vom beſſerm als baͤueri-
ſchen Anſehn dem Manne entgegen, lieb-
koßt ihm, klopft’ ihm die Backen, reicht
ihm ein kleines lachendes Kind hin, das
er mit Wonnegefuͤhl an ſeinen Buſen druͤck-
te. Die beyden Eheleute hatten auſſer die-
ſem Pfande der Liebe und einer anſchmei-
chelnden Katze, noch drey Hausgenoſſen
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Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 4. Altenburg, 1779, S. 271. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen04_1779/279>, abgerufen am 22.12.2024.
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