und ruft mit lauter Stimme aus eiter Biblio- thek oder gelehrten Zeitung hervor: ein ieder wahre sich, der Autor ist toll! Oder schreiet durch das Sprachrohr seiner bösen Zunge, in die Halle irgend eines Tempels hinein: euer Kirchenlicht hat eine heterodoxe Schnup- pe; oder posaunt von der Zinne des Rath- hauses, oder aus dem Schalloche eines Thurms herab: Dieser Geschäftsmann ist ein Windbeutel, ein Rabulist; dieser Arzt ist ein Quacksalber; dieser Gewercker ist ein Pfuscher, ein Bönhase u. s. w. So wird mancher brave Mann civiliter todgeschlagen, daß er nie emergiren kann, weil ihn die Stimme eines mächtigen Schreiers ver- folgt, der ihn für seinen ungeladenen Mit- esser, oder für seinen Broddieb hält.
Thut mir leid, daß ich mich genoth- drungen sehe, meinem Wirth mit seiner lü- genhaften Königsstraße vom weitoffnen Freyplaz am Thor einen bösen Namen zu
machen,
und ruft mit lauter Stimme aus eiter Biblio- thek oder gelehrten Zeitung hervor: ein ieder wahre ſich, der Autor iſt toll! Oder ſchreiet durch das Sprachrohr ſeiner boͤſen Zunge, in die Halle irgend eines Tempels hinein: euer Kirchenlicht hat eine heterodoxe Schnup- pe; oder poſaunt von der Zinne des Rath- hauſes, oder aus dem Schalloche eines Thurms herab: Dieſer Geſchaͤftsmann iſt ein Windbeutel, ein Rabuliſt; dieſer Arzt iſt ein Quackſalber; dieſer Gewercker iſt ein Pfuſcher, ein Boͤnhaſe u. ſ. w. So wird mancher brave Mann civiliter todgeſchlagen, daß er nie emergiren kann, weil ihn die Stimme eines maͤchtigen Schreiers ver- folgt, der ihn fuͤr ſeinen ungeladenen Mit- eſſer, oder fuͤr ſeinen Broddieb haͤlt.
Thut mir leid, daß ich mich genoth- drungen ſehe, meinem Wirth mit ſeiner luͤ- genhaften Koͤnigsſtraße vom weitoffnen Freyplaz am Thor einen boͤſen Namen zu
machen,
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0292"n="284"/>
und ruft mit lauter Stimme aus eiter Biblio-<lb/>
thek oder gelehrten Zeitung hervor: ein ieder<lb/>
wahre ſich, der Autor iſt toll! Oder ſchreiet<lb/>
durch das Sprachrohr ſeiner boͤſen Zunge,<lb/>
in die Halle irgend eines Tempels hinein:<lb/>
euer Kirchenlicht hat eine heterodoxe Schnup-<lb/>
pe; oder poſaunt von der Zinne des Rath-<lb/>
hauſes, oder aus dem Schalloche eines<lb/><hirendition="#fr">Thurms herab: Dieſer Geſchaͤftsmann iſt</hi><lb/>
ein Windbeutel, ein Rabuliſt; dieſer Arzt<lb/>
iſt ein Quackſalber; dieſer Gewercker iſt ein<lb/>
Pfuſcher, ein Boͤnhaſe u. ſ. w. So wird<lb/>
mancher brave Mann civiliter todgeſchlagen,<lb/>
daß er nie emergiren kann, weil ihn die<lb/>
Stimme eines maͤchtigen Schreiers ver-<lb/>
folgt, der ihn fuͤr ſeinen ungeladenen Mit-<lb/>
eſſer, oder fuͤr ſeinen Broddieb haͤlt.</p><lb/><p>Thut mir leid, daß ich mich genoth-<lb/>
drungen ſehe, meinem Wirth mit ſeiner luͤ-<lb/>
genhaften Koͤnigsſtraße vom weitoffnen<lb/>
Freyplaz am Thor einen boͤſen Namen zu<lb/><fwplace="bottom"type="catch">machen,</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[284/0292]
und ruft mit lauter Stimme aus eiter Biblio-
thek oder gelehrten Zeitung hervor: ein ieder
wahre ſich, der Autor iſt toll! Oder ſchreiet
durch das Sprachrohr ſeiner boͤſen Zunge,
in die Halle irgend eines Tempels hinein:
euer Kirchenlicht hat eine heterodoxe Schnup-
pe; oder poſaunt von der Zinne des Rath-
hauſes, oder aus dem Schalloche eines
Thurms herab: Dieſer Geſchaͤftsmann iſt
ein Windbeutel, ein Rabuliſt; dieſer Arzt
iſt ein Quackſalber; dieſer Gewercker iſt ein
Pfuſcher, ein Boͤnhaſe u. ſ. w. So wird
mancher brave Mann civiliter todgeſchlagen,
daß er nie emergiren kann, weil ihn die
Stimme eines maͤchtigen Schreiers ver-
folgt, der ihn fuͤr ſeinen ungeladenen Mit-
eſſer, oder fuͤr ſeinen Broddieb haͤlt.
Thut mir leid, daß ich mich genoth-
drungen ſehe, meinem Wirth mit ſeiner luͤ-
genhaften Koͤnigsſtraße vom weitoffnen
Freyplaz am Thor einen boͤſen Namen zu
machen,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 4. Altenburg, 1779, S. 284. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen04_1779/292>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.