Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 4. Altenburg, 1779.

Bild:
<< vorherige Seite

machen, aber wahrlich! nicht in der Ab-
sicht, wie der Eigener des Leipziger Jta-
liänerkellers dem Hunde, vom Geist der
Rache angetrieben, um an dem Wicht mein
Müthlein zu kühlen; sondern lediglich zu
Steuer physiognomischer Wahrheit tret ich
auf, und rufe laut: ein ieder wahre sich
vor einem imposanten Gesicht: denn ich
kenn eine physiognomische Königsstraße die
zum Galgen führet.

Jch schlief auf meinem Lager so sicher
und ruhig wie im Schooß der Wonne, er-
wachte, als das Licht des späten Herbst-
tages schon gar hell durch die Ritzen der
Fensterladen glänzte, wunderte mich daß
weder im Kämmerlein noch im Hause sich
nichts Lebendiges regte, und vermuthete, die
Unterredung biß spät in die Nacht, halte
die Wirthsleute länger im Bette zurück.
Wollt' die köstliche Ruh des trauten Paares
nicht stöhren: denn so lang sie schliefen,

waren

machen, aber wahrlich! nicht in der Ab-
ſicht, wie der Eigener des Leipziger Jta-
liaͤnerkellers dem Hunde, vom Geiſt der
Rache angetrieben, um an dem Wicht mein
Muͤthlein zu kuͤhlen; ſondern lediglich zu
Steuer phyſiognomiſcher Wahrheit tret ich
auf, und rufe laut: ein ieder wahre ſich
vor einem impoſanten Geſicht: denn ich
kenn eine phyſiognomiſche Koͤnigsſtraße die
zum Galgen fuͤhret.

Jch ſchlief auf meinem Lager ſo ſicher
und ruhig wie im Schooß der Wonne, er-
wachte, als das Licht des ſpaͤten Herbſt-
tages ſchon gar hell durch die Ritzen der
Fenſterladen glaͤnzte, wunderte mich daß
weder im Kaͤmmerlein noch im Hauſe ſich
nichts Lebendiges regte, und vermuthete, die
Unterredung biß ſpaͤt in die Nacht, halte
die Wirthsleute laͤnger im Bette zuruͤck.
Wollt’ die koͤſtliche Ruh des trauten Paares
nicht ſtoͤhren: denn ſo lang ſie ſchliefen,

waren
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0293" n="285"/>
machen, aber wahrlich! nicht in der Ab-<lb/>
&#x017F;icht, wie der Eigener des Leipziger Jta-<lb/>
lia&#x0364;nerkellers dem Hunde, vom Gei&#x017F;t der<lb/>
Rache angetrieben, um an dem Wicht mein<lb/>
Mu&#x0364;thlein zu ku&#x0364;hlen; &#x017F;ondern lediglich zu<lb/>
Steuer phy&#x017F;iognomi&#x017F;cher Wahrheit tret ich<lb/>
auf, und rufe laut: ein ieder wahre &#x017F;ich<lb/>
vor einem impo&#x017F;anten Ge&#x017F;icht: denn ich<lb/>
kenn eine phy&#x017F;iognomi&#x017F;che Ko&#x0364;nigs&#x017F;traße die<lb/>
zum Galgen fu&#x0364;hret.</p><lb/>
        <p>Jch &#x017F;chlief auf meinem Lager &#x017F;o &#x017F;icher<lb/>
und ruhig wie im Schooß der Wonne, er-<lb/>
wachte, als das Licht des &#x017F;pa&#x0364;ten Herb&#x017F;t-<lb/>
tages &#x017F;chon gar hell durch die Ritzen der<lb/>
Fen&#x017F;terladen gla&#x0364;nzte, wunderte mich daß<lb/>
weder im Ka&#x0364;mmerlein noch im Hau&#x017F;e &#x017F;ich<lb/>
nichts Lebendiges regte, und vermuthete, die<lb/>
Unterredung biß &#x017F;pa&#x0364;t in die Nacht, halte<lb/>
die Wirthsleute la&#x0364;nger im Bette zuru&#x0364;ck.<lb/>
Wollt&#x2019; die ko&#x0364;&#x017F;tliche Ruh des trauten Paares<lb/>
nicht &#x017F;to&#x0364;hren: denn &#x017F;o lang &#x017F;ie &#x017F;chliefen,<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">waren</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[285/0293] machen, aber wahrlich! nicht in der Ab- ſicht, wie der Eigener des Leipziger Jta- liaͤnerkellers dem Hunde, vom Geiſt der Rache angetrieben, um an dem Wicht mein Muͤthlein zu kuͤhlen; ſondern lediglich zu Steuer phyſiognomiſcher Wahrheit tret ich auf, und rufe laut: ein ieder wahre ſich vor einem impoſanten Geſicht: denn ich kenn eine phyſiognomiſche Koͤnigsſtraße die zum Galgen fuͤhret. Jch ſchlief auf meinem Lager ſo ſicher und ruhig wie im Schooß der Wonne, er- wachte, als das Licht des ſpaͤten Herbſt- tages ſchon gar hell durch die Ritzen der Fenſterladen glaͤnzte, wunderte mich daß weder im Kaͤmmerlein noch im Hauſe ſich nichts Lebendiges regte, und vermuthete, die Unterredung biß ſpaͤt in die Nacht, halte die Wirthsleute laͤnger im Bette zuruͤck. Wollt’ die koͤſtliche Ruh des trauten Paares nicht ſtoͤhren: denn ſo lang ſie ſchliefen, waren

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen04_1779
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen04_1779/293
Zitationshilfe: Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 4. Altenburg, 1779, S. 285. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen04_1779/293>, abgerufen am 22.12.2024.