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Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 4. Altenburg, 1779.

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ner Kupferhütte; aber ich betrog mich: in
meinem Kopf sahs so leer und ledig aus,
wie in meinem Mantelsack, und mit dem
Magen würds die nämliche Beschaffenheit
gehabt haben, wenn Philipp nicht als ein
guter Wirth zum Glück die drey Pfennige
in seiner Tasche gehabt hätte, worauf un-
sere Vorfahren sich so viel zu gute thaten,
und die der Luxus der Enkel so sorgloß
verschwendet. Der ordentliche Zehrpfen-
nig reichte freilich nicht weit; aber der
Spar- und der Nothpfennig waren desto
nachhaltiger, und ließen uns unterwegens
nicht darben. Am dritten Morgen, als
Philipp vaterländische Luft witterte, konnt
ich ihn nicht zurück halten, einen Vorsprung
zu nehmen, und meine Ankunft zu Hanß
zu melden. Die Einsamkeit fachte mei-
nen Contemplationsgeist auf einmal wie-
der an. Jch war nahe dabey, der edlen
Physiognomik den Scheidebrief zu schreiben.

Unter
T 4

ner Kupferhuͤtte; aber ich betrog mich: in
meinem Kopf ſahs ſo leer und ledig aus,
wie in meinem Mantelſack, und mit dem
Magen wuͤrds die naͤmliche Beſchaffenheit
gehabt haben, wenn Philipp nicht als ein
guter Wirth zum Gluͤck die drey Pfennige
in ſeiner Taſche gehabt haͤtte, worauf un-
ſere Vorfahren ſich ſo viel zu gute thaten,
und die der Luxus der Enkel ſo ſorgloß
verſchwendet. Der ordentliche Zehrpfen-
nig reichte freilich nicht weit; aber der
Spar- und der Nothpfennig waren deſto
nachhaltiger, und ließen uns unterwegens
nicht darben. Am dritten Morgen, als
Philipp vaterlaͤndiſche Luft witterte, konnt
ich ihn nicht zuruͤck halten, einen Vorſprung
zu nehmen, und meine Ankunft zu Hanß
zu melden. Die Einſamkeit fachte mei-
nen Contemplationsgeiſt auf einmal wie-
der an. Jch war nahe dabey, der edlen
Phyſiognomik den Scheidebrief zu ſchreiben.

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[295/0303] ner Kupferhuͤtte; aber ich betrog mich: in meinem Kopf ſahs ſo leer und ledig aus, wie in meinem Mantelſack, und mit dem Magen wuͤrds die naͤmliche Beſchaffenheit gehabt haben, wenn Philipp nicht als ein guter Wirth zum Gluͤck die drey Pfennige in ſeiner Taſche gehabt haͤtte, worauf un- ſere Vorfahren ſich ſo viel zu gute thaten, und die der Luxus der Enkel ſo ſorgloß verſchwendet. Der ordentliche Zehrpfen- nig reichte freilich nicht weit; aber der Spar- und der Nothpfennig waren deſto nachhaltiger, und ließen uns unterwegens nicht darben. Am dritten Morgen, als Philipp vaterlaͤndiſche Luft witterte, konnt ich ihn nicht zuruͤck halten, einen Vorſprung zu nehmen, und meine Ankunft zu Hanß zu melden. Die Einſamkeit fachte mei- nen Contemplationsgeiſt auf einmal wie- der an. Jch war nahe dabey, der edlen Phyſiognomik den Scheidebrief zu ſchreiben. Unter T 4

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Zitationshilfe: Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 4. Altenburg, 1779, S. 295. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen04_1779/303>, abgerufen am 22.12.2024.