Nathusius, Marie: Die Kammerjungfer. Eine Stadtgeschichte. Halle (Saale), 1851.Taschentuch geschickt über die schmutzigen Handschuh ge¬ Warte, Klärchen! rief die Mutter, da kömmt Stopf' es nur tief genug unter, sagte Klärchen Alle Schneiderinnen, sagt man, sind unordentlich, Taſchentuch geſchickt über die ſchmutzigen Handſchuh ge¬ Warte, Klärchen! rief die Mutter, da kömmt Stopf' es nur tief genug unter, ſagte Klärchen Alle Schneiderinnen, ſagt man, ſind unordentlich, <TEI> <text> <body> <p><pb facs="#f0014" n="8"/> Taſchentuch geſchickt über die ſchmutzigen Handſchuh ge¬<lb/> legt, und wollte nun mit einem leichten Adieu zur<lb/> Thür hinaus.</p><lb/> <p>Warte, Klärchen! rief die Mutter, da kömmt<lb/> Dein Hemd an der Schulter zum Vorſchein und gerade<lb/> ein rechter Ratſch darin.</p><lb/> <p>Stopf' es nur tief genug unter, ſagte Klärchen<lb/> gleichgültig, und nachdem das geſchehen, ging ſie fort.</p><lb/> <p>Alle Schneiderinnen, ſagt man, ſind unordentlich,<lb/> weil ſie immer mit der Nadel für Andere beſchäftigt,<lb/> nie Zeit für ihre eigne Arbeit finden. Klärchen war<lb/> es aber nicht allein als Schneiderin, ſondern noch da¬<lb/> zu als unordentliche Tochter einer unordentlichen Mut¬<lb/> ter, und als über ihren Stand hinaus verwöhnte und<lb/> verbildete Jungfrau. Daß die Kleider ſechs Ellen<lb/> weit ſein mußten und wo möglich den Staub auf<lb/> der Straße kehren, war ihr von höchſter Wichtigkeit;<lb/> auch durften die Manſchetten nicht fehlen, Mantillen,<lb/> Kragen, geſtickte Taſchentücher und Unterröcke mit<lb/> Friſuren. Ob ihr Hemd zerriſſen, war ihr gleichgül¬<lb/> tig, ja, außerordentlich gleichgültig! Das ſah ja<lb/> Niemand. Unangenehmer war es ſchon, fehlte der<lb/> Hacken im Strumpf, oder die Sohle am Schuh, aber<lb/> auch das machte ihr nicht großes Bedenken, es wurde<lb/> geſchickt verborgen, die langen Kleider waren auch hier<lb/> von Nutzen. Mit der Muhme Gretchen hatte ſie neu¬<lb/> lich erſt einen derben Strauß gehabt; denn war Gret¬<lb/> chen auch nicht gebildet, ſo war ſie doch geſcheut und<lb/> derb und kurz angebunden. Sie ſah den Unterrock<lb/> mit den breiten Friſuren, und ſagte, das wäre ganz<lb/> verrückt nun, gar an einem Unterrock den überflüſſigen<lb/></p> </body> </text> </TEI> [8/0014]
Taſchentuch geſchickt über die ſchmutzigen Handſchuh ge¬
legt, und wollte nun mit einem leichten Adieu zur
Thür hinaus.
Warte, Klärchen! rief die Mutter, da kömmt
Dein Hemd an der Schulter zum Vorſchein und gerade
ein rechter Ratſch darin.
Stopf' es nur tief genug unter, ſagte Klärchen
gleichgültig, und nachdem das geſchehen, ging ſie fort.
Alle Schneiderinnen, ſagt man, ſind unordentlich,
weil ſie immer mit der Nadel für Andere beſchäftigt,
nie Zeit für ihre eigne Arbeit finden. Klärchen war
es aber nicht allein als Schneiderin, ſondern noch da¬
zu als unordentliche Tochter einer unordentlichen Mut¬
ter, und als über ihren Stand hinaus verwöhnte und
verbildete Jungfrau. Daß die Kleider ſechs Ellen
weit ſein mußten und wo möglich den Staub auf
der Straße kehren, war ihr von höchſter Wichtigkeit;
auch durften die Manſchetten nicht fehlen, Mantillen,
Kragen, geſtickte Taſchentücher und Unterröcke mit
Friſuren. Ob ihr Hemd zerriſſen, war ihr gleichgül¬
tig, ja, außerordentlich gleichgültig! Das ſah ja
Niemand. Unangenehmer war es ſchon, fehlte der
Hacken im Strumpf, oder die Sohle am Schuh, aber
auch das machte ihr nicht großes Bedenken, es wurde
geſchickt verborgen, die langen Kleider waren auch hier
von Nutzen. Mit der Muhme Gretchen hatte ſie neu¬
lich erſt einen derben Strauß gehabt; denn war Gret¬
chen auch nicht gebildet, ſo war ſie doch geſcheut und
derb und kurz angebunden. Sie ſah den Unterrock
mit den breiten Friſuren, und ſagte, das wäre ganz
verrückt nun, gar an einem Unterrock den überflüſſigen
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