Nathusius, Marie: Die Kammerjungfer. Eine Stadtgeschichte. Halle (Saale), 1851.Staat. Klärchen aber erklärte sachverständig, daß eine Staat. Klärchen aber erklärte ſachverſtändig, daß eine <TEI> <text> <body> <p><pb facs="#f0015" n="9"/> Staat. Klärchen aber erklärte ſachverſtändig, daß eine<lb/> ordentliche Toilette — bei dieſem Worte hob Gretchen<lb/> etwas höhnend Klärchens Arm in die Höhe und zeigte<lb/> wie der Aermel halb aus den Nähten war; Klärchen<lb/> fuhr nach einer kurzen Entſchuldigung aber ärgerlich<lb/> fort: daß zu einer ordentlichen Toilette ſolch ein Rock<lb/> nothwendig ſei, um die Kleider unten gehörig breit zu<lb/> erhalten. Beſonders, fügte ſie ſchnippiſch hinzu, paßt<lb/> das für ſchlanke Leute; für Biertonnen iſt's nun mal<lb/> nicht nöthig. Gretchen wußte darauf keine verblümte<lb/> Antwort zu geben, ſie ſagte aber kurz: Schäme Dich<lb/> was mit deinen Grobheiten, dafür ſetz' Dich hin und<lb/> flicke und ſtopfe wo's Noth thut, und verthu' Dein<lb/> Geld nicht unnütz; mit den Friſuren am Rock lockſt<lb/> Du keinen Hund aus dem Ofen, und ich ſage Dir,<lb/> Du wirſt es noch mal bitterlich bereuen, daß Du ſo<lb/> eine Thörin wareſt. Du hältſt es ſo ſehr mit der<lb/> Welt, aber ich ſage Dir, ſie wird Dir noch mal ein<lb/> X für ein U machen; und Du denkſt, da iſt Dein<lb/> Himmelreich, aber ich ſage Dir, das iſt wo anders. —<lb/> Ach Gott! jetzt kriegt' es Klärchen mit dem Schreck,<lb/> gewiß wollte Gretchen mit ihrem Herrn und Heilande<lb/> kommen, denn von dem ſprach ſie, als ob die Sache<lb/> ganz ihre Richtigkeit hätte. Gretchen war überhaupt<lb/> ſo ſehr in der Zeit und Bildung zurück, ſie kannte<lb/> keine Romane, wußte nichts von Eugen Sue, von der<lb/> George Sand und von keinem Muſen- und Liebes-<lb/> Almanach, kannte nur nothdürftig die Claſſiker ihres<lb/> Vaterlandes dem Namen nach, und auch darüber<lb/> ſpottete Tante Rieke. Mutter und Tochter laſen nur<lb/> in der Bibel, in Andachtsbüchern, oder in andern Bü¬<lb/></p> </body> </text> </TEI> [9/0015]
Staat. Klärchen aber erklärte ſachverſtändig, daß eine
ordentliche Toilette — bei dieſem Worte hob Gretchen
etwas höhnend Klärchens Arm in die Höhe und zeigte
wie der Aermel halb aus den Nähten war; Klärchen
fuhr nach einer kurzen Entſchuldigung aber ärgerlich
fort: daß zu einer ordentlichen Toilette ſolch ein Rock
nothwendig ſei, um die Kleider unten gehörig breit zu
erhalten. Beſonders, fügte ſie ſchnippiſch hinzu, paßt
das für ſchlanke Leute; für Biertonnen iſt's nun mal
nicht nöthig. Gretchen wußte darauf keine verblümte
Antwort zu geben, ſie ſagte aber kurz: Schäme Dich
was mit deinen Grobheiten, dafür ſetz' Dich hin und
flicke und ſtopfe wo's Noth thut, und verthu' Dein
Geld nicht unnütz; mit den Friſuren am Rock lockſt
Du keinen Hund aus dem Ofen, und ich ſage Dir,
Du wirſt es noch mal bitterlich bereuen, daß Du ſo
eine Thörin wareſt. Du hältſt es ſo ſehr mit der
Welt, aber ich ſage Dir, ſie wird Dir noch mal ein
X für ein U machen; und Du denkſt, da iſt Dein
Himmelreich, aber ich ſage Dir, das iſt wo anders. —
Ach Gott! jetzt kriegt' es Klärchen mit dem Schreck,
gewiß wollte Gretchen mit ihrem Herrn und Heilande
kommen, denn von dem ſprach ſie, als ob die Sache
ganz ihre Richtigkeit hätte. Gretchen war überhaupt
ſo ſehr in der Zeit und Bildung zurück, ſie kannte
keine Romane, wußte nichts von Eugen Sue, von der
George Sand und von keinem Muſen- und Liebes-
Almanach, kannte nur nothdürftig die Claſſiker ihres
Vaterlandes dem Namen nach, und auch darüber
ſpottete Tante Rieke. Mutter und Tochter laſen nur
in der Bibel, in Andachtsbüchern, oder in andern Bü¬
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